Zum vierten Mal in den letzten 7 Spielzeiten stehen die Eispiraten im Playoff-Viertelfinale der DEL 2. Und natürlich sehnt sich der komplette Standort Crimmitschau danach, im 22. Jahr seiner Zweitligazugehörigkeit endlich einmal die nächste Runde – sprich das Halbfinale – zu erreichen. Die Hürde, die den Eispiraten im Weg steht, ist allerdings sehr hoch.Denn vom Papier her bekommen es die Westsachsen abgesehen von den Kassel Huskies wohl mit dem gewichtigsten aller Zweitligisten zu tun, nämlich den Krefeld Pinguinen. Der Deutsche Meister von 2002/03 will – mit aller Macht!?! – wieder zurück in die DEL, hat aber auch in seinem zweiten Jahr der DEL2-Zugehörigkeit akzeptieren müssen, dass die Rückkehr ins Oberhaus mitnichten ein Selbstläufer ist.
Schauen wir etwas genauer auf die Krefeld Pinguine.
Trainer – aller guten Dinge sind drei?
Nach Boris Blank und Interimscoach Herbert Hohenberger – inzwische wieder Assistenztrainer – ist der altinternationale Greg Poss als Chefcoach Nummer 3 in der laufenden Saison in das Haifisch- bzw. Pinguinbecken am Niederrhein gesprungen. Poss hat sich vor allem in der ersten Dekade dieses Jahrtausends einen Namen in Deutschland gemacht, wurde Meister mit Mannheim und gehörte auch dem Trainerstab der Deutschen Nationalmannschaft an. Im Sunshinestate Florida sah man Poss ab 2010 als ECHL-Coach schon dem Ruhestand entgegensurfen, doch es zog ihn 2016 zurück nach Europa (Österreich) und 2022 übernahm er während der Saison seine „alte Liebe“ Iserlohn in der DEL.
In der aktuellen Spielzeit musste er nach einem katastrophalen Saisonstart aber seinen Platz dort wieder räumen, was die Krefelder auf den Plan rief, den 58jährigen als den richtigen Mann für die Mission Aufstieg anzuheuern. Es dauerte ein wenig, doch der Taktiker und Analytiker Poss hat das Team im Hauptrundenendspurt in die richtige Spur gebracht und damit die Hoffnungen der Eishockeystadt Krefeld hinsichtlich der DEL-Rückkehr wieder ordentlich angeheizt.
Torhüter – alles blickt auf Bick
Die Krefelder Defensive steht und fällt mit Goalie Felix Bick! In Bad Nauheim hat er sich über die Jahre den Hexer-Status erarbeitet und knüpft seit dieser Saison in Krefeld nahtlos daran an. Vielspieler Bick kam in der Hauptrunde auf die zweitmeisten Einsatzminuten (2.555. Minuten bzw. 43 Spiele im Tor) aller Goalies und kassierte dabei durchschnittlich nur 2.40 Gegentore. Mit 92.96% Fangquote liefert er den viertbesten Wert der Liga bzw. den besten aller Stammgoalies. In 3 Spielen hielt er seinen Kasten komplett sauber.
Es müssten sich schon besondere bzw. unfreiwillige Umstände ergeben, sollte in der anstehenden Playoff-Serie der Backup Matthias Bittner (6 Sp, 3.05 GT/Sp, 91.37%, 0 SO) zum Einsatz kommen. Julius Schulte steht als 3.Goalie bereit und Hendrik Hane (Föli Düsseldorf) ist aufgrund zu weniger Einsatzzeiten nicht mehr spielberechtigt.
Abwehr – groß, kräftig, erfahren
Nur 140 mal ließen die Pinguine ihre Gegner jubeln, der viertbeste Wert der Liga. Unzweifelhaft steht Goalie Bick mit diesem Wert in Verbindung, doch auch das spielende Personal hat seinen Anteil daran. Hier vor allem natürlich der Leuchtturm Christian Ehrhoff. Der mittlerweile 41jährige weiß aus der Saison 2002/03 noch, wie man mit Krefeld Meister wird und dürfte seine seither in vielen Jahren NHL und Nationalmannschaft erworbene Erfahrung nun vollends dem Team zugute kommen lassen. In 51 Einsätzen hat der NHL-Veteran 7 Tore und 17 Vorlagen erzielt.
Reichlich Erfahrung bringen aber zudem auch Philip Riefers (45 Sp, 4+18), Erik Buschmann (52 Sp, 2+17), David Trinkberger (51 Sp, 1+2) und der aktuell verletzte/angeschlagene Maximilian Adam (39 Sp, 3+13) mit. US-Boy Erik Gotz (45 Sp, 4+14) ist zwar nicht der klassische ausländische Offensivverteidiger, bringt aber durch seine quirlige Spielweise dennoch immer wieder mal Unordnung in die gegnerische Defensivzone. Nimmt man noch die U24-Defender Maximilian Söll (28 Sp, 4+1) und Maximilian Leitner (46 Sp, 2+3), die sich beide im Saisonverlauf sehr stark in den Vordergrund gespielt haben, hinzu, steht da eine potente Defensive auf dem Eis.
Diese ließ zwar durchschnittlich über 34 gegnerische Schüsse pro Spiel zu (nur Selb gestattete mehr), doch hielt man deren Qualität bzw. Gefährlichkeit dank der defensiven Kompaktheit übrwiegend überschaubar, so dass die Gegner durchschnittlich mehr als 12 – exakt 12.7 – Versuche benötigten, um zum Torerfolg zu kommen. Nur an Weißwasser bissen sich die gegnerischen Stürmer noch mehr die Zähne aus.
Sturm – wehe wenn er losgelassen
So oft wie der Gegner jubelten auch die Pinguine, nämlich 140 mal. Für einen Playoff-Teilnehmer sind diese 2.69 Tore pro Spiel kein rühmlicher Wert, immerhin schossen 12 Teams in der Liga mehr Tore. Auch dass im Schnitt fast 12 – genauer gesagt 11.8 – Schüsse für einen Treffer notwendig waren (Platz 12) bei mittelmäßigen 31.8 Schüssen pro Spiel insgesamt (Platz 8), spricht auf den ersten Blick weder für Kaltschnäuzigkeit noch für sonderlich druckvolles Offensiveishockey.
So bleibt festzuhalten, dass die Pinguine den 6. Platz nach der Hauptrunde im Wesentlichen ihrer starken Defensive zu verdanken haben. Wer hier aus den nackten Zahlen allerdings die Schlussfolgerung zieht, dass der Angriff der Pinguine qualitative Probleme hat, ist auf dem Holzweg. Die Ursache für die mäßige Torausbeute ist vielmehr quantitativ begründbar. Denn an ein Spiel, in dem der Angriff einmal in Bestbesetzung auflaufen konnte, werden sich die Pinguine wahrscheinlich selbst nicht mehr erinnern, wenn es das in dieser Saison überhaupt schon gegeben hat.
Die beiden einzigen Angreifer ohne Fehlzeiten sind Philipp Kuhnekath (52 Sp, 10+19) und Alexander Weiß (52 Sp, 13+21). Letztgenannter ist Teamkapitän und wurde Hauptrundentopscorer der Pinguine. Gleichzeitig ist der 37jährige der unbestrittene „aggressive leader“ seiner Mannschaft, denn wenn Weiß nicht gerade wild durch die Gegend checkt, dann belöffelt er zumeist seine Gegenspieler oder quatscht die Schiedsrichter zu. Ein wirklich unangenehmer, geradezu penetranter Gegenspieler, der stets am Rande der Fairness agiert, allerdings auch selten über die Stränge schlägt. Seine jahrelange Erfahrung aus DEL und Nationalmannschaft machen´s möglich.
Als weiterer Schlüsselspieler neben Weiß ist der ebenfalls 37jährige Jonathan Matsumoto (D-CAN, 30 Sp, 10+13) auszumachen, allein schon wegen seiner 490 DEL-Spiele und 2 Meisterschaften im Oberhaus. Matsumoto zeigte sich allerdings im Saisonverlauf auch recht verletzungsanfällig und Schwarz-Gelb hofft auf einen gesunden Playoff-Matsumoto. Hoffnungen setzen die Krefelder Fans zudem darauf, dass Josh MacDonald (CAN, 36 Sp, 16+16) wie schon in den beiden Vorjahren (Ravensburg) zum Playoff-Monster wird, dass der nachverpflichtete Matt Marcinew (CAN, 26 Sp, 13+8) weiterhin beständig der Mann für wichtige Tore ist, dass der ebenfalls nachverpflichtete, langjährige DEL- und Nationalspieler Jerome Flaake (24 Sp, 7+6) dem Team mit seiner Erfahrung wichtigen Schub gibt, dass der verletzte/angeschlagene Lucas Lessio (CAN, 25 Sp, 8+10) – auch eine Nachverpflichtung – nochmals eingreifen kann oder zumindest dass Vertreter Alexander Ruuttu (FIN-USA, 37 Sp, 6+11) in der Endrunde seine Ladehemmung ablegt, dass neben dem bereits erwähnten Kuhnekath auch Christian Kretschmann (48 Sp, 11+16), David Cerny (40 Sp, 5+16), Mike Fischer (35 Sp, 4+13) und Leon Niederberger (25 Sp, 4+5) in den Playoffs eine breite, schwer zu verteidigende Angriffsbasis bilden und dass schließlich auch die jungen Wilden Kevin Niedenz (48 Sp, 2+4), Lukas Wagner (44 Sp, 0+2) und Edmund Junemann (23 Sp, 0+0) im Aufstiegskampf über sich hinauswachsen.
Viel Hoffnung schwingt da also in der Krefelder Offensive mit. Jedoch absolut berechtigte Hoffnung aus dem Grund, weil alle positiven Qualitäten im Laufe der Hauptrunde zwar nie bzw. seltenst gemeinsam Wirkung entfalten konnten und deshalb nur 140 Tore zustande kamen, die Qualitäten einzeln jedoch unbestritten sind bzw. alle schon attestiert werden konnten. Es gilt für die Pinguine nun nur noch, dies alles zusammenzuführen.
Zuschauer – Ligakrösus in Aufbruchstimmung
In Krefeld ist so etwas wie Euphorie zu spüren. Der starke Endspurt in der Hauptrunde hat das Publikum jedenfalls so manche eher peinliche Heimniederlage der letzten Monate vergessen lassen. Frenetisch und überschwänglich kann man gar die Stimmung im letzten Hauptrundenheimspiel gegen Ravensburg bezichnen, in dem zugleich mit über 8.000 Fans einen neuer DEL2-Zuschauerrekord (ohne Eventgames) aufgestellt wurde. 127.763 Besucher zählte der Kassenwart in Krefeld im Laufe der Hauptrunde, das sind 4.914 Fans pro Spiel und somit so viele wie an keinem anderen Standort der Liga.
Im Playoff-Viertelfinale wird die Yayla-Arena ziemlich sicher ebenfalls einen enormen Zulauf von mindestens 7.000 Fans erleben und eine imposante schwarz-gelbe Wand hinter dem Gästetor zur Schau stellen.
Special Teams – wie bei fünf gegen fünf
Die Special Teams der Pinguine sind eine Blaupause der bereits geschilderten Stärken in der Deffensive und der vermeitnlichen Schwächen in der Offensive. Denn während das Powerplay – vor allem angesichts des potenten Personals – mit 17.9% (Platz 10) eine gelinde gesagt ausbaufähige Bilanz aufweist, verteidigen die Krefelder in eigener Unterzahl extrem stark. 86.9% der Unterzahlsituationen wurden schadlos überstanden, Platz 2 in der Hauptrunde!
Zusammengerechnet kommt Krefeld somit auf eine Special Teams Effizienz von 104.8% und liegt damit über dem Ligadurchschnitt (100%). Nur Dresden, Kassel und Weißwasser waren in der Hauptrunde effizienter in den Special Teams.
Form – Pfeil nach oben
Über weite Strecken der Hauptrunde machte Krefeld seinem Namen alle Ehre und eierte in bester Pinguinmanier im Tabellenmittelfeld umher. Als Wundertüte mit zwischenzeitlich zunehmend bangem Blick nach unten.
Sportdirektor Peter Draisaitl sprach im Januar schon verzweifelt und fast flehend davon, dass man – egal wie – die Playdowns unbedingt vermeiden müsse. Nach dem 44. Spieltag betrug der Vorsprung auf die Abstiegszone gerade einmal 2 Punkte, kein besonderes Qualitätsmerkmal für ein Team, das eigentlich den Aufstieg für sich beansprucht.
Es hat dann aber „Klick“ gemacht, denn aus den letzten 8 Spielen holte Krefeld 6 Siege bzw. 17 von 24 möglichen Punkten und sprang am letzten Hauptrundenspieltag aus eigener Kraft direkt in die Playoffs. Form und Selbstvertrauen sollten daher rechtzeitig zur entscheidenden Saisonphase auf die linke Rheinseite zurückgekehrt sein.
Und so steht nun noch ein anderes Draisaitl-Zitat im Fokus: „Wenn wir die Playoffs schaffen, ist mit dieser Kabine noch ganz viel möglich“.