40. Spieltag in der DEL2 und die Eispiraten reisen zum Prestigegegner ins Elbtal. Dort hat man gerade das letzte Hemd geopfert, um irgendwie doch noch in die Playoffs zu kommen – mit Erfolg?
Leichte Panik herrscht in Dresden anscheinend schon, denn mit dem derzeitigen Saisonverlauf hat bei den Eislöwen wohl keiner gerechnet bzw. rechnen wollen. Bis auf den vorletzten Platz wurde das Team aus der Landeshauptstadt durchgereicht und die eigenen Ziele, die Aufstiegsfantasien beinhalten, damit pulverisiert. Schlechte, fast schon aufgeheizte Stimmung unter den Fans und Ratlosigkeit in der Führungsetage machten sich breit.
Die Reaktion ließ allerdings nicht auf sich warten: Mit einem „All-in“ versuchen die Dresdner zu retten, was noch zu retten ist, lösten ihre Rücklagen aus der Corona-Hilfe auf, holten einen neuen Trainer, einen neuen Torhüter und drei neue Spieler, von denen einer gleich das C auf der Brust bekam. Klingt nach Aktionismus und mächtig Unruhe im Team.
Bis dato allerdings macht es den Anschein, dass die Meidzin wirkt, denn seit der neue Coach Niklas Sundblad die Geschicke leitet, wurden aus 4 Spielen 3 Siege und 7 Punkte eingefahren. Dresden ziert zwar mit 49 Punkten und 111:126 Toren noch immer Tabellenplatz 13, aber die Hoffnungen keimen wieder im Ostragehege.
Erst recht, weil die Mittelsachsen fortan mit einem 5-fachen Deutschen Meister und Silbermedaillengewinner von Olympia 2018 zwischen den Pfosten aufwarten können. Die Rede ist von Danny aus den Birken, der aus dem Quasi-Ruhestand geholt wurde und nun die Kohlen aus dem Dresdner Feuer holen soll. In Rosenheim debütierte der bald 39jährige im Blau-Weißen Trikot und musste beim Auswärtssieg 2-mal hinter sich greifen. Die bisherige Nummer 1 Janick Schwendener (31 Sp, 2.81 GT/Sp, 89.33%, 0 SO) dürfte somit degradiert sein und auch der junge Pascal Seidel (11 Sp, 3.15 GT/Sp, 90.30%, 0 SO) wird sich mit einem Tribünenplatz anfreunden müssen.
Aber auch ein aus den Birken braucht verlässliche Vorderleute, was sich besonders auf die beiden Schweden Simon Karlsson (38 Sp, 10+11) und den Ex-Kapitän David Suvanto (36 Sp, 9+9) bezieht. Beide tun zwar viel für die Offensive der Eislöwen und tauchen immer wieder gefährlich im gegnerischen Drittel auf, ihre eigentliche Aufgabe als Defender lösen sie aber bei einer +/- Bilanz von -15 bzw. -23 eher mittelprächtig. Garret Pruden (30 Sp, 4+3), Bruno Riedl (36 Sp, 3+4), Nils Elten (37 Sp, 2+3), Nicklas Mannes (30 Sp, 0+3) und einer der drei Neuen, nämlich Maxim Rausch (8 Sp, 0+2), sind aber auch aufgefordert, die recht dünn besetzte Abwehr stabil zu halten.
Um aus dem Loch heraus zu kommen, haben die Eislöwen auch im Angriff reagiert. Und zwar mit zwei Spielern, die in dieser Saison noch ohne Anstellung waren. Das ist auf den ersten Blick waghalsig, könnte sich aber angesichts der Vita der beiden dennnoch bezahlt machen. 6 Saisons in der AHL, 2 Jahre DEL (Iserlohn), ein Jahr 1. Liga in Österreich, zuletzt 90 Punkte in zwei ECHL-Spielzeiten und 10 Spiele für die Boston Bruins (2013/14) hat der 33jährige US-Amerikaner Justin Florek auf seinem Bewerbungsbogen stehen und nicht nur deswegen, sondern auch wegen seiner 100 kg Gewicht, die sich auf 1.93 m Körperlänge verteilen, dürfte der Angreifer eine Erscheinung sein. Auch er debütierte zuletzt in Rosenheim. Schon ein Spiel länger ist der neue Kapitän Travis Turnbull, 37-jähriger Deutsch-Amerikaner mit 524 DEL-Spielen (133+163) auf dem Buckel, dabei. Nach dem Motto „Ein Mann, ein Wort“ hat er in den ersten beiden Einsätzen auch prompt 3 Tore erzielt und einen Treffer aufgelegt. Mit dem emsigen Topscorer Tomas Andres (D-CZE, 38 Sp, 11+29) und den beiden Schweden David Rundqvist (36 Sp, 11+17) und Johan Porsberger (38 Sp, 12+23) kann Coach Sundblad weitere spielstarke Cracks aufbieten, wobei es im weiteren Saisonverlauf wohl für Rundqvist und Porsperger wegen des Überangebots an Kontingentspielern heikel werden könnte. Dani Bindels (37 Sp, 11+7), Niklas Postel (34 Sp, 3+9), Yannick Drews (39 Sp, 5+7), Vincent Hessler (31 Sp, 1+10) und Tom Knobloch (37 Sp, 8+2) indes haben ihre Stammplätze sicher. Ebenso die jungen Wilden um Adam Kiedewicz (36 Sp, 4+5), Matej Mrazek (34 Sp, 3+5), Ricardo Hendreschke (23 Sp, 1+6), Jussi Petersen (34 Sp, 1+3) und Matthias Pischoff (23 Sp, 0+2).
Dresden ist unter Zugzwang, das steht in diesem Derby unzweifelhaft fest. Ob und wie sie mit dem Druck des Gewinnenmüssens umgehen, wird sich zeigen. Für die Eispiraten wird es allerdings ohnehin darauf ankommen, in der eher weniger geliebten Dresdner Eishalle von Beginn weg ihr Spiel durchzuziehen. Was mit Geduld, Konzentration und mannschaftlicher Geschlossenheit möglich ist, hat das jüngste Spiel gegen Landshut bewiesen, wenngleich in einer Liga, in der mehr denn je die Tagesform über Sieg oder Niederlage entscheidet, der Blick zurück eher Schall und Rauch ist. Aber die Aussicht, den sächsischen Konkurrenten mit Beginn des letzten Saisonviertels schon beachtlich auf Distanz zu halten, gibt vielleicht nochmal ein paar Prozent mehr Energie und Siegeswille frei.