Können die Eispiraten gegen Kassel wirklich nicht verlieren? Doch, können sie natürlich schon, sogar relativ wahrscheinlich. Aber das ist ja der Punkt, denn gegen den einsamen Spitzenreiter aus Hessen, der sich durch die DEL2-Hauptrunde pflügt wie die Landwirte derzeit durch die deutschen Innenstädte, zu verlieren, ist in der Liga zur Gewohnheit geworden und deshalb wäre das auch für die Eispiraten kein Drama.



Ein bisschen was offen haben die Crimmitschauer aber freilich schon. Denn dieser 3. Dezember des letzten Jahres wurde für die Crimmitschauer zum BVB-Moment der laufenden Saison. Damals war es der 24. Spieltag. Crimmitschau trat als Tabellenzweiter in Kassel an, von einer tollen Vorrunde besselt und bis in die Haarspitzen motiviert dem Primus ein Bein zu stellen. Und was macht der Primus? Das Gleiche wie der FC Bayern, wenn er gegen Dortmund antritt. Einfach noch eine Schippe drauflegen und dem Gegner mal gehörig die Kräfteverhältnisse aufzeigen. So mussten also die Eispiraten beim 1:6 erleben, dass es sich nicht lohnt zu versuchen, die Huskies spielerisch in die Enge treiben oder mit feiner Klinge brillieren zu wollen. Das gibt die berühmte Watschn.

Etliche weitere Watschn haben die Cracks von Coach Bo Subr ligaweit seitem noch verteilt, weshalb nach 35 Spielen 24 Siege, 73 Punkte, die meisten Tore (124) und die wenigsten Gegentore (83) zu Buchen stehen. Und weil Niederlagen für die Nordhessen schlichtweg Ausrutscher sind, wird die DEL2-Tabelle bis zum Hauptrundenende zwar weiterhin bunt durchgemischt, die Konstante Kassel auf Platz 1 wird aber bestehen bleiben.

Damit es dann heuer auch wirklich mal mit dem DEL-Aufstieg klappt, wurde der ohnehin aufgerüstete Kader zuletzt nur noch mehr aufgerüstet. Die Deutsch-Kanadier Ryan Olsen (9 Sp, 5+4) und Rylan Schwartz (2 Sp, 1+1) wurden für die vierte oder fünfte Reihe verpflichtet. Nun, ganz so ist es natürlich nicht, aber Tribünenplätze werden in Kassel in der Tat nicht mehr kalt, weil der Kader qualitativ und quantitativ so üppig besetzt ist.

Lediglich Goalie Brandon Maxwell (D-CAN, 26 Sp, 2.35 GT/Sp, 90.98%, 1 SO) kann sich seiner Einsatzzeiten gewiss sein. Wenn er mal eine Pause bekommt, lassen sich Kristian Hufsky (2 Sp, 2.51 GT/Sp, 88.37%, 0 SO) und vor allem Philipp Maurer (7 Sp, 2.14 GT/Sp, 91.76%, 2 SO) aber nicht lumpen und zeigen überzeugende Leistungen.

Überzeugend ist generell die gesamte Defensivarbeit, die nicht nur die wenigsten Tore zulässt, sondern auch die wenigsten Torschüsse. An diesem Umstand haben sich vor allem Maximilian Faber (34 Sp, 9+24), Joel Keussen (31 Sp, 4+19), Andrew Bodnarchuk (CAN, 34 Sp, 2+12), Steven Seigo (35 Sp, 1+10) und Marco Müller (30 Sp, 0+3) verdient gemacht. Die jungen Spieler Samuel Dotter, Markus Freis und Tom Geischeimer fügen sich hier aber auch nahtlos ein.

Dass die treffsicherste Offensive – es muss nicht extra erwähnt werden, dass sie auch die meisten Schüsse aller DEL2-Teams produziert – ihren Topscorer gerade einmal auf Rang 10 der ligaweiten Scorerliste platziert, spricht für die schier ungalubliche Ausgeglichenheit Kassels im Angriff. Reihe 1, 2, 3 oder 4 – es wird aus allen Formationen heraus Torgefahr erzeugt und das Erfolgsrezept ist außerdem, dass jede Reihe ihrem gegnerischen Gegenüber um ein paar Prozent besser besetzt ist. Olsen und Schwartz wurden ja schon erwähnt, aber da sind eben auch noch Yannik Valenti (35 Sp, 22+15), Jake Weidner (D-CAN, 30 Sp, 10+20), Joel Lowry (CAN, 32 Sp, 9+18), Carson McMillan (35 Sp, 6+20), Tristan Keck (D-Can, 27 Sp, 13+6), Alec Alroth (35 Sp, 6+11), Darren Mieszkowski (31 Sp, 3+12) – jener allerdings seit kurzem langzeitverletzt -, Louis Brune (29 Sp, 4+6), Connor Korte (34 Sp, 8+2), Pierre Preto (34 Sp, 7+3), Tomas Sykora (D-CZE, 20 Sp, 6+2), Hans Detsch (33 Sp, 5+3) und Oleg Leon Tschwanow (23 Sp, 2+4). Lois Spitzner (10 Sp, 0+2) und Lars Reuß (6 Sp, 0+0) komplettieren das Ganze.

Bo Subr scheint das Puzzle der Huskies perfekt gelegt zu haben, denn jeder im Team hat seine Rolle und führt diese nach den Vorstellungen des Trainers aus. Und wenn jeder Akteur genau zu seiner ihm angedachten Rolle passt, kommt am Ende ein oscarreifer Blockbuster raus. Ob das Happy End – nämlich der Aufstieg – auch wie geplant eintritt? Derzeit kann man sich nichts anders vorstellen, aber das konnte man sich in der vergangenen auch nicht. Am Ende feierte aber doch ein anderes Team die Meisterschaft.

Für die Eispiraten wird es im Heimspiel gegen Kassel darum gehen, sich bestmöglich zu verkaufen und sich anerkennenswert aus der Affäre zu ziehen, um am Ende mit erhobenem Kopf in die Kabine gehen zu können. Ob auch in die Luft gestreckte Arme dazukommen – warten wir´s einfach mal ab.