„Kniet nieder, Ihr Untertanen, der Meister ist zu Gast…“ könnte man meinen, aber angesichts der eher ungewohnten Tabellensituation muss diesmal der Meister nach oben schauen, wenngleich auch nur ein klein wenig. Und so gab es im Sahnpark im 900. Spiel seit Wiederbeginn im Jahr 1990 sogar ein Topspiel der DEL 2 oben drauf: Erster gegen Zweiter…
Eispiraten trotz Schrecksekunde obenauf
Im Gegensatz zu den bisherigen drei Saisonpartien waren die Rot-Weißen diesmal von Beginn an dominierend. Ravensburg ließ sich sichtlich beeindrucken und musste die ersten Minuten viel öfter in der Verteidigungszone zubringen, als es eine Mannschaft mit dieser Offensivpower gewohnt ist. Crimmitschau nutzte auch gleich die erste Großchance zum Führungstreffer, und das, obwohl durch den Ausfall von Ole Olleff und das Nach-hinten-Ziehen von Allrounder Dominic Walsh wiederum eine Reihenumstellung vonnöten war. Justin Büsing rutschte im Lineup wieder nach vorne und bewies mit seinem 1:0 aus der Drehung, nach gerade einmal 03:46, das er auch das Zeug für eine Position in den Top6 hat.
Die Freude über den starken Beginn erhielt allerdings kurz darauf einen gewaltigen Dämpfer. Nach einer Reboundsituation vor dem Eispiratentor musste der bislang so überzeugende Oleg Shilin gestützt das Eis verlassen, der Deutschrusse wurde auch direkt ins Krankenhaus gefahren. E sah aber auch in der Wiederholung nicht danach aus, als wäre ein Gegenspieler für die Verletzung verantwortlich. Kaltstart für Christoph Schneider in die Saison 2023/24 hieß es trotzdem. Und der etatmäßige Backup machte seine Sache gut, so viel sei schon verraten.
Zunächst rückte aber erstmal weiter Ilya Sharipov in den Blickpunkt. Und der musste gleich in Minute 7 ein zweitesmal hinter sich greifen. Henri Kanninen, spätestens seit Freitag red hot unterwegs, verwertete ein Bomben-Zuspiel des wiederum bockstark aufspielenden Dominic Walsh zum 2:0. Für die Gäste war das dann aber wirklich das Signal zum Aufwachen, fortan gestalteten sie das Geschehen auf dem Eis ausgeglichen. Vor allem körperlich agierten die Schwaben recht dominant und verdienten sich so ihre Spielanteile. Christian Schneider musste sich mehrfach auszeichnen, griff allerdings in der 20. Minute bei einem Schuss von Goldhelm Latta daneben – 2:1. Damit ging es auch in die Kabinen.
Das torlose Kampfdrittel
Ravensburg hatte offenbar Gefallen daran gefunden, den Gastgebern mit Härte den Schneid abzukaufen, und intensivierte das Körperspiel im Mitteldrittel noch etwas. Crimmitschau hielt dagegen, und so entwickelte sich ein eher unansehnlicher und zerfahrener zweiter Abschnitt. Dass auch etliche Stockfouls und grenzwertige Checks dabei waren: ok, passiert, wird nicht das letzte solcher Spiele gewesen sein. Aber, und das sprach auch Jussi Tuores in der Pressekonferenz nach dem Match an, es wäre halt schön, wenn die Liga ihren Referees eine halbwegs einheitliche Linie an die Hand geben würde. Am Freitag in Selb wurde noch alles gepfiffen, heute dafür fast nichts. Da musste man fast schon froh sein, dass Alfaro für seinen Late Hit gegen Sören Sturm, nach dem schon der nächste verletzte Eispirat zu befürchten war, überhaupt zwei Minuten bekam. Am Freitag wäre dafür wohl Dusche angesagt gewesen. Zum Glück kam der Defender wenig später wieder aus der Kabine zurück aufs Eis und konnte weiterspielen.
Ansonsten war es ein Spiel zweier guter Goalies, die die, im Vergleich zu Drittel 1, wenigen Chancen der Kontrahenten allesamt entschärften und die Entscheidung in den Schlussabschnitt verlegten.
Auch beim Comeback große Klasse
Was gegen ein starkes Offensivteam wie die Towerstars unbedingt zu vermeiden ist, konnten sich dann die knapp 2600 Zuschauer in Minute 45 anschauen. Strafen nehmen nämlich, die von Max Balinson war jedenfalls eine klare Sache, er traf seinen Gegner im Gesicht und musste wegen Hohem Stock raus. Sarault zog das Powerplay stark auf, wartete auf den durchstartenden Dietz, der wenig Mühe hatte, den Ausgleich zu erzielen. Stark gespielt. Aber in diesem Jahr ist irgendwie eine Menge anders bei den Rot-Weißen: „stark gespielt“ können die nämlich auch, und so fand Colin Smith nach schönem Tic-Tac-Toe mit einem No-Look-Rückhandpass den noch besser postierten Tobias Lindberg, der wenig Mühe hatte, das 3:2 zu erzielen. Ilya Sharipov schaute so ungläubig zu, dass man die Gedanken regelrecht lesen konnte. („Das haben die letztes Jahr noch nicht mal im Training mit mir veranstaltet…“)
Und es ging weiter mit offenem Visier: jetzt waren die Gäste wieder am Drücker. Einen verunglückten Pass nutzten die Towerstars für einen schnellen Konter, Latta im Rückraum wurde angespielt und behielt die Nerven, als er seinen Schuss im kurzen Eck versenken konnte (50. Minute). Zwei Zeigerumdrehungen später führten die Gäste dann sogar. Einen weiteren Konter spielten sie sehr schön aus, letztlich war es Sarault, überragender Mann der Oberschwaben, der zum 3:4 einnetzte, vierter Punkt für ihn beim vierten Towerstars-Treffer.
Für die Eispiraten wurde die Zeit langsam knapp, aber mit Unterstützung des wirklich sehr lauten Sahnparks setzten sich die Tuores-Mannen immer wieder im Angriffsdrittel fest. Als der finnische Headcoach der Crimmitschauer dann schon über drei Minuten vor Ultimo Schneider aus dem Kasten beorderte, wurde ein wahres Anrennen daraus. Ravensburg bekam nur noch Icings zustande, auch weil Colin Smith und Henri Kanninen eigentlich alle Bullys in der Schlussphase gewannen und somit immer wieder Puckbesitz für Rot-Weiß ermöglichten. Anderthalb Minuten vor Ende flog dann das Dach des altehrwürdigen Sahnparks einfach weg: einmal mehr brachte sich Vinny Saponari in eine gute Schussposition, Tobias Lindberg stand goldrichtig für den Abpraller und erzielte aus Nahdistanz das 4:4.
In der Overtime ging es bei 3 vs. 3 naturgemäß ziemlich hin und her, das bessere Ende hatten die Gastgeber. Wieder war es der bockstarke Saponari, der die Gefahr heraufbeschwor, diesmal versenkte Dominic Walsh den Rebound. Der Rest war Feiern. Die Eispiraten behalten mit diesem Erfolg ihren Platz an der Sonne. Großer Wermutstropfen bleibt natürlich die mutmaßlich schwere Verletzung von Nr.1-Goalie Oleg Shilin. Wir hoffen einfach mal auf gute Nachrichten diesbezüglich unter der Woche, sprich Entwarnung.