Ja, ein Spielbericht sollte nicht zu emotional verfasst sein, man sollte sich auf das Geschehen konzentrieren, keine eigenen Meinungen einbringen, Objektivität walten lassen. So die Theorie. Aber wenn sich so etwas abspielt wie die heutige 1:7-Niederlage der Eispiraten beim Hauptstadtclub aus Dresden, dann wirds quasi selbstverständlich subjektiv, auch im Spielbericht.

Das Ende vom Dienstag war der Anfang vom Freitag

Fünf Sekunden hatte Tristan Keck in der Dienstagsverlängerung für die Entscheidung gebraucht, viel länger dauerte es heute auch nicht, bis Kuhnekath nach üblem Puckverlust der Eispiratendefensive das 1:0 auf dem Schläger hatte. Aber was Kuhnekath noch verpasste, holte Hendreschke dann nach gespielten 68 (!!!) Sekunden schnell nach, die Rot-Weißen schauten artig zu, wie eigentlich das gesamte Spiel über, wenn sich ein Dresdner im Slot vor Sharipov bewegte. Gleich zweimal schafften es die Westsachsen dann in der Folge, einen 4-auf-2-Konter zu versemmeln, nachdem sich zwei Eislöwen gegenseitig über den Haufen gefahren hatten. Einmal, weil einer ins Abseits gelaufen war und der Kollege abdrehen musste, einmal, weil beim Schuss der Puck nicht getroffen wurde. Stocktechnische, zweikämpferische und taktische Fehlleistungen hielten sich die Waage, bis die Dresdner merkten, dass sie hier und heute aber mal gar nichts zu befürchten hatten, und schwuppdiwupp nach Schema F (heißt: einer steht zwischen drei Crimmitschauern im Slot und bekommt trotzdem die Scheibe) das 2:0 erzielten. Zu allem Unglück musste kurz vorher auch noch Henri Kanninen verletzt raus, weil er einen Schlagschuss seines Reihenkollegen Filip Reisnecker abbekommen hatte. Und dann noch das: bei noch zu spielenden sieben Sekunden auf der Uhr….ach, lassen wir uns das für den nächsten Abschnitt übrig.

Die Blaupause für Beamtenhockey

Nachdem die zwei Powerplays des Angangsdrittels noch unter ferner liefen einzuordnen waren, klappte das  dritte dann ganz gut. Weil wohl das einzige Mal im gesamten Spiel Crimmitschau sich die Rebounds von Schwendener sicherte, und nach Grons Versuch letztlich Pohl zum 2:1 einschieben konnte. Im übrigen eine der letzten erwähnenswerten Offensivaktionen der Rot-Weißen bis Ultimo. Dresden erholte sich schnell, erinnerte sich daran, dass sie ja heute nichts zu befürchten hatten, und Hendreschke nach Rebound und Karlsson nach Slalom durch den rot-weißen Parcours stellten auf 4:1. innerhalb von 42 (!!!) Sekunden. Tiefschlaf at its best. Wie Felix Thomas im Pauseninterview richtig bemerken sollte, konnte man sich bei Ilya Sharipov bedanken, dass es nicht deutlicher stand.

Kommen wir noch zur Sieben-Sekunden-Nummer. Weil sie nämlich gleich zweimal auf fast identische Weise aufgeführt wurde. Auch im zweiten Abschnitt, exakt wie im ersten, waren noch sieben Sekunden auf der Dritteluhr, die Eispiraten waren in Puckbesitz, und taten zweimal was, beim Stand von 0:2 bzw. 1:4? Tiefspielen, abdrehen, Sekunden runterlaufen lassen, Pause machen. Das nenn ich eine Blaupause für Beamtenhockey. Wieso versucht man nicht wenigstens noch, den Schuss zu nehmen? Könnte ja reingehen… Hätte Lüdemann das damals auch so gemacht, hätte das Olympiaturnier 2002 ohne deutsche Beteiligung stattgefunden.

Aufbäumen? Fehlanzeige

Den Offenbarungseid legten die Eispiraten dann aber im letzten Drittel ab. Bis auf ein paar Techtelmechtel (Rausch-Knackstedt, Doherty-Drews) kam quasi nichts von Team Rot-Weiß. Im Gegenteil: man ließ die Gegner bis vor Sharipov durchfahren (Knackstedt – 5:1), nahm noch ein paar dumme Strafen (Sharipov mit Frustabbau, so verständlich das auch war, Knobloch – 6:1) oder ließ im eigenen Torraum den Gegner schalten und walten, wie er wollte (Schmitz – 7:1). Coach Bazany dürfte mit dem Einhalten des Gameplanes im letzten Durchgang jedenfalls ziemlich zufrieden gewesen sein, denn blind nach vorne gerannt ist da kein Eispirat mehr, eigentlich ist gar kein Eispirat mehr nach vorne gerannt, Schwendener hätte auch derweilen duschen gehen können, verloren hätte das Dresden trotzdem nicht mehr.

Der richtig subjektive Teil: so weh tut es, bei den Nunnus so einzugehen

Und dieses Emotionslose, „Hinnehmsche“, das die Westsachsen im letzten Durchgang zeigten, steht mittlerweile für mich für Bazanyhockey. Bloß nichts riskieren, auch wenn man deutlich hinten liegt. Gameplan einhalten, egal, wie es steht. Auf eine andere Erklärung für Niederlagen als ein Abweichen von dieser Route wartet man ja seit langem vergebens.

Vielleicht setz ich mich da jetzt in die Nesseln, aber Crimmitschau als Eishockeystandort lebte IMMER und VOR ALLEM von seiner Emotionalität. Wenn davon auf Jahre immer weniger auf dem Eis zu sehen ist, zumal noch in Derbys, ist das, was den Standort Crimmitschau ausmachte, dahin, vergangen, vorbei. Die sinkenden Zuschauerzahlen könnten ein Indiz dafür sein, müssen aber nicht, es gibt sicher auch andere Gründe. Aber die Zeit, als der Emotionstrom wie gesetzlich geregelt von den Rängen aufs Eis lief wie die Mulde zur Elbe, die könnten vorbei sein, und ab und an, nein, regelmäßig sollte dieser Strom mal umgekehrt funktionieren.