Gut 6 Trainingswochen und 9 Testspiele haben die Eispiraten-Cracks hinter sich gebracht und starten nun am kommenden Freitag in die neue DEL2-Saison. Was nehmen wir aus der Saisonvorbereitung mit?

Erstens: Luka Gracnar kann das Zünglein an der Waage werden

Nach 4.02 (Saison 2018/19), 3.73 (2019/20) und 3.39 (2020/21) Gegentoren pro Spiel stehen die Chancen gar nicht mal so schlecht, dass die Eispiraten im dritten Jahr in Folge ihre Defensive stabilisieren bzw. den Gegentorschnitt weiter senken könnten. Der Grund: Zwischen dem Pfosten konnte mit Luka Gracnar ein international erfahrener Goalie nach Crimmitschau gelockt werden, der die Vorschusslorbeeren bislang bestätigen kann und bereits hervorragende Ansätze zeigte. Die 1.58 Gegentore in seinen 5 Testspieleinsätzen sind zwar ein Muster ohne Wert, aber mit der nötigen Portion Optimismus ist Gracnar vielleicht sogar ein Kandidat auf die 2 vor dem Komma zum Ende der Hauptrunde. Zumindest ist er aber einer, der dem Team in jedem Spiel die Chance auf Punkte bietet – das gab es in Crimmitschau etliche Jahre nicht.

Zweitens: Die Defensive steht, aber auf wackligen Säulen

Nur 17 Gegentore in 9 Spielen, und davon zwei ins leere Tore – diese Bilanz liest sich richtig gut. Und nicht nur die Zahlen sprechen für sich, sondern auch die Auftritte der Eispiraten-Defensive auf dem Eis. Das Trainergespann Bazany/Hare hat seine taktische Spielausrichtung offenbar schon gefunden. Bärenstark zeigte sich vor allem das Duo Summers/Olleff, wobei Summers sich auch offensiv Bestnoten verdiente. Darüber hinaus spielten auch Saclzo und Thomas ihre reiche Erfahrung immer wieder gut aus, während der stets engagierte Heyer körperlich noch robuster werden sollte, wenn er bei einem Check nicht als erster auf dem Eis liegen will. Alles in allem aber passt das, was die Eispiraten-Defender gezeigt haben.

Aber: Der Schuh fängt quantitativ und mit zunehmender Dauer auch qualitativ an zu drücken, wenn sich die Zustände, die sich in der Vorbereitung breitgemacht haben, über einen längeren Zeitraum erstrecken sollten. Da wäre zum einen Schietzold, der die Vorbereitung verletzungsbedingt mehr oder minder sausen lassen musste und einen Rückstand aufholen muss, da wäre zum anderen Summers, der sich in Selb an der Schulter verletzte, was gar nicht prickelnd aussah. Zwei Ausfälle, die im wahrsten Sinne weh tun. Und da ist natürlich noch Kreutzer, der GmbH-seits als der legitime Hudson-Nachfolger angekündigt wurde, aber Crimmitschau bislang allenfalls eine kurze Stippvisite abstattete und sich stattdessen die meiste Zeit in Bremerhaven herumtrieb, wo er in der laufenden DEL-Saison auch großzügig Eiszeit bekommt. Fakt ist: Kreutzer ist kein Förderlizenzspieler und eine ewige Hin-und-Her-Ausleihe gibt die Statuten nicht her. Es wird sich also entscheiden müssen: Crimmitschau oder Bremerhaven. Bleibt zu hoffen, dass Kreutzer kein zweiter Patch Alber wird. Denn dann hat auch Dominic Walsh schneller als uns lieb ist wieder eine Festanstellung in der Eispiraten-Abwehr, aber dazu kommen wir noch gesondert.

Drittens: Top-Reihe ist gefunden

Neben Rakete Mathieu Lemay hat sich mit Scott Feser noch ein zweiter flinker Geselle der Stürmerzunft etabliert, und das Ganze koordiniert vom unaufgeregten Strippenzieher Scott Timmins. Die Paradereihe der Eispiraten ist eine echte solche und erzielte in 9 Testspielen 19 Tore sowie 35 Scorerpunkte. Außerdem gingen 7 von 10 Powerplaytoren auf das Trio. Um den Scoringtouch der nominell ersten Reihe muss man sich in der kommenden Saison – Verletzungsfreiheit vorausgesetzt – garantiert keine Sorgen machen und Mathieu Lemay dürfte mit dem Knacken der 30-Tore-Marke erneut kein Problem haben. So wie Scott Timmins mit der magischen 60%-Marke beim Gewinnen von Bullies. Und Scott Feser – das hat er in vielen Ansätzen schon gezeigt – ist ein Rohdiamant, der im Sahnpark den Schliff für die DEL bekommen kann.

Viertens: „Wer ist euer Herzblatt?“

Lieber Patrick, lieber Vincent – wir nehmen eure drei Reihenpartner aus der Vorbereitung noch einmal genau unter die Lupe: Wollt ihr mit Träumer-Thore, der eher behäbig dem Geschehen hinterherläuft und feststellen musste, wie groß der Sprung von der Oberliga in die DEL2 sein kann, im gegnerischen Drittel das Eis an der Bande bearbeiten? Oder spielt ihr lieber mit Wusel-Willy, der zwar euer Tempo gehen kann, aber von den Gegnern mit dem kleinen Finger aus dem Slot geschoben wird, Knoten in die Beine der Defender spielen? Oder probiert ihr es vielleicht doch mit Mucki-Marius, dem kämpferischsten von euch Dreien, der bei euren spielerischen Raffinessen aber immer noch wie ein Lehrjunge unbeteiligt nebenherfahren muss? Nicht einfach, aber nun müsst ihr euch entscheiden: Wer ist euer Herzblatt?

Spaß beiseite, aber ein bisschen Ironie muss sein! Und wer erinnert sich nicht gern an Susi… 😉

Unbestritten ist aber, dass man auch in der kommenden Saison wohl immer noch Ossi Saarinen (2017/18) und Christian Hilbrich (2018/19) hinterhertrauern wird. Den beiden letzten Herzblättern , die echt gut zum Duo Schlenker/Pohl gepasst haben. Es fehlt halt einfach der 20-Tore-Mann in der Reihe, die ohne diesen zwar schön und gefällig vor sich hin spielt, aber eben leider viel zu wenig Ertrag erzielt. Und das liegt eben leider auch am fehlenden Torjäger neben den eher zum Auflegen geneigten Schlenker und Pohl. Eine Krux, die der zweiten Reihe übel mitspielt. Und daher ist der Unterschied zwischen der ersten und zweiten Linie in Sachen Effizienz schon frappierend und für die DEL2 eigentlich recht groß.

Was uns unmittelbar zur letzten Erkenntnis überleitet.

Fünftens: Ein Königreich für einen erfahrenen, torgefährlichen und deutschen Stürmer

Die Eispiraten brauchen im Sturm noch eine Eier legende Wollmilchsau, so viel steht fest. Denn nicht weniger als 50 Tore (Ewanyk, Petr Pohl, Gams) sind auf den deutschen Stürmerpositionen im Sommer verlorengegangen. Und bislang haben sich weder Weyrauch noch Gläser als Neuzugänge nachhaltig und konsequent empfohlen, diese Lücke zu schließen. Kann und muss man aber eigentlich auch nicht erwarten, dafür fehlen den beiden noch ein paar Körner. Die Hoffnung ruht auf Walsh und Schlenker als Quasi-Neuzugänge, nachdem Walsh letzte Saison fast nur Defender spielen musste und heuer eigentlich wieder als Stürmer eingeplant war (wie Planung und Realität voneinander abweichen können, zeigten die Testspiele) sowie Schlenker aus seiner langen Verletzung zurückkehrte. Wie sehr Schlenker die eine Spielzeit Pause zusetzte und inwiefern seine Verletzungsanfälligkeit kommende Saison mal eine Auszeit nimmt, bleibt aber eh abzuwarten.

Und so wich der Freude über die Vertragsverlängerungen der Top-Kontis Lemay und Timmins sowie der Ur-Gesteine Pohl, Schlenker und Walsh mit fortlaufender Sommerpause und erst recht in der Vorbereitung irgendwie auch der Sorge, dass letztjährig besetzte Schlüsselpositionen keinen adäquaten Ersatz bekommen haben.

In Zahlen ausgedrückt: Hinter der Top-Reihe fielen in den 9 Testspielen nur 11 weitere Stürmertore. Das wurde bei den teilweisen Kantersiegen gegen die Nord-Oberligisten vielleicht noch kaschiert, aber was rauskommt, wenn die zweite und dritte Reihe mit Toren geizt, haben die Spiele gegen Weißwasser und Selb (nur insgesamt 8 Tore in 4 Spielen, und davon auch nur 2 bei 5-5, die nicht von der 1. Reihe erzielt wurden!) ein Stück weit richtungsweisend gezeigt.

Stopp, wir haben doch mehr als fünf Erkenntnisse gesammelt!

Sechstens: Es ist geil, wieder Fans im Stadion zu sehen!

Viel mehr muss man dazu nicht sagen!