Ein Spiel, was man wohl trotz Demenz im Alter seinen Enkeln immer wieder mit leutenden Augen erzählen dürfte, dann noch ein Spiel mit Seltenheitswert, denn Punkte in Kassel sind für die Eispiraten ähnlich wie Schnee im Juni – kommt zwar vor, aber eher nicht zu erwarten. Und dann noch ein Lehrbeispiel, dass ein Eishockeyspiel 60 Minuten geht und nicht eben 59:59… Das war die erste englische Woche der Saison und wir blicken mal wieder etwas anders zurück…
So, da hatten es die Eispiraten also in dieser Saison zum zweitenmal mit den überaus beliebten Dresdner Eislöwen zu tun. Wir erinnern uns gerne: das 4 zu 3 in der hauptstädtischen Eishalle war ja schon ein inneres Blumenpflücken. Dass das am Freitagabend aber noch um Längen getoppt wurde, haben wohl selbst die kühnsten Optimisten nicht vorausgesehen, immerhin hatten auch die Rot-Weißen ja im Vorfeld nicht gerade eine Hochphase.
Als dann noch der gerüchteweise für viel Geld nach Dresden gelockte Jordan Knackstedt die Gästeführung erzielte, sorgten sich bestimmt sogleich einige Berufspessimisten. Hatten aber zum Glück nicht all zu viel Zeit dafür, genauer gesagt nur zweiunddreißig Sekunden. Und dann:
1 – Schietz von der blauen in den Winkel
2 – Flick nach Dauerfeuer in den Winkel
3 – Kabitzky den Rebound reingezwungen
4 – Schlenker auf Körner, Körner auf Pohl, Pohl mit der unglaublichsten Mitnahme, seit Dana Scully im UFO war, Pohl auf Körner, Körner ins Tor
5 – Hudson durch die Beine von Stefaniszin
6 – Kaba mit schneller Schalte nach Bullygewinn, Hilbrich mit schneller Schalte nach Kabas Querpass ins Tor
7 – Flick mit Slalom und Rückhandabschluss in den Winkel
8 – Talbot mit Handgelenksschuss ins Tor
9 – Talbot mit Handgelenksschuss ins Tor
10 – Talbot mit Handgelenksschuss ins Tor
11 – Halbauer mit Stürmerblut in Unterzahl in den Winkel
Und die ganze Zeit immer diese fiese kleine Stimme in mir drin, die wisperte: no mercy, no mercy. Gab ja auch kein mercy…
Einem etconline-Kollegen hat der Stefaniszin im Dresdner Tor zwischendurch sogar etwas leid getan, der meinte nur, wenn er der Dresdner Goalie wäre, würde er, unabhängig von der eigenen Leistung, jedem seiner Teamkollegen in der Kabine einmal die Kelle auf den Helm kloppen. Ich hoffe, er hat´s nicht gemacht, sonst hat er wahrscheinlich, abhängig von der eigenen Leistung, auch zwanzig auf die Omme bekommen. Wobei die aber eher sein Coach verdient gehabt hätte, der die arme Sau in Blau-Weiß halt einfach mal über sechzig Minuten sehen wollte und gar nicht daran dachte, den trotz gebrauchten Tages mal irgendwann zu erlösen. In Dresden scheint es wohl so eine richtige Westminster-Saison zu werden… Hach, war das schön!
Wie schon oben eingeleitet: Schnee im Juni, kommt mal vor! Soll auch weisse Löwen geben, regulär sind die zwar eher gelb, aber auch so etwas kommt mal vor! Vom sprichwörtlichen blauen Diamanten können wir auch sprechen, aber der ist schon arg selten.
Also Punkte in Nordhessen für Crimmitschau in der DEL 2 – schauen wir mal: Februar 2016, 2 Punkte nach Penaltyschießen. Wenn wir die DEL2-Qualifikation im Jahr 2014 noch dazu nehmen, dann kommen wir auf den zweiten Sieg… Und das wars auch schon! Demzufolge reichte bis zum Sonntag seit dem Beginn der Vergleiche gegen Kassel im Jahr 2006 eigentlich eine Hand, wenn man es ganz genau nimmt, sogar die von dem Besteller der „5 Bier für die Männer vom Sägewerk…“!
Es wurde demzufolge mal wieder höchste Zeit, die Wilhelmshöhe aufzumischen und, wenn wir schon mal bei selten sind, das Image des ewigen Aufbaugegners bei krisengeschüttelten Gegnern mal ablegen und den Spieß umdrehen kann man in Crimmitschau durchaus auch als eine Rarität bezeichnen. Immherin hat es ja schon zwei Tage zuvor gegen Dresden geklappt und vor ein paar Wochen am selben Spielwochenende auch. Also immer drauf und von Platz 6 aus nach unten grinsen!!!
Was haben die Hannover Scorpions, die Frankfurter Löwen, die Malmö Redhawks, die Eisbären Berlin Junios oder der EHC Braunlage mit den Eispiraten Crimmitschau außer der gleichen Sportart gemeinsam? Genau, alle können ein Lied davon singen, wie es ist, in der letzten Sekunde einen Treffer zu fangen und betröppelt nach Hause zu fahren.
Es gibt Spiele, da denkt man, die gibt es nicht und als betroffener Fan oder Spieler sagt man sich: „Das darf doch wohl nicht wahr sein!“ Gibt es aber! Und wie schwer es auch fällt, ein wenig Trost für die bittere Pille am Dienstag Abend bei unseren Freunden aus Randpolen sollen ein paar Beispiele zeigen:
2010: DEL, vorletzter Spieltag der Hauptrunde, Wolfsburg erzielt bei 59:59 den Ausgleich in Hannover und gewinnt das Spiel in der Verlängerung und zieht damit direkt in die Playoffs ein.
2014: Playoff-Viertelfinale zwischen den Adlern Mannheim und Frankfurt Lions, bei 59:59 schlägt der Puck zum Ausgleich für die Adler ein und rettet diese in die Verlängerung, wo sie das Spiel gewannen.
2018: Champions-Hockey-League, Red Bull München erzielt bei 59:59 den Siegtreffer zum 3:2 gegen Malmö und macht damit den Gruppensieg klar.
Ja – und die Eisbären Juniors (gegen Bad Nauheim) oder Braunlage (gegen Erfurt) können sich in diese Schublade mit einreihen.
Aber eins noch, auch in der Crimmitschauer Eishockeygeschichte gab es ein solches Spiel: 16 Jahre ist es her, da schickte Esbjörn Hofverberg Sekunden vor Ende einen Schuss in Richtung Heilbronner Tor und der Puck schlug ein. Die Erinnerung an den Satz des Livetickers „…mit dem letzten Schuss haut der das Ding rein…“ hat sich bei vielen älteren Fans eingeprägt.
Sicher ist, dass es so oft doch nicht vorkommt! Und gönnen wir mal den Rotpelzen aus Ostsachsen eine schöne Erinnerung wie diese uns die wohl noch schönere Erinnerung der Eislöwen-Senge am Wochenende gönnten. Hach, war das schön…