Doppelt so viele Torschüsse wie der Gegner, drei Viertel der Spielzeit mit mehr Spielanteilen, und trotzdem verdient verloren – da muss wohl einiges schief gelaufen sein im gestrigen Spiel der Eispiraten gegen den bis dahin Tabellenletzten aus Deggendorf. Konkret waren das: fehlende Geradlinigkeit, Konteranfälligkeit, mangelnde Chancenverwertung und Unaufmerksamkeiten in Abwehr und Tor.
Ein Start nach Maß – hier wie da
Es war noch keine Minute auf der Uhr im Sahnpark, da wusste der neuverpflichtete Jason Bacashihua im Deggendorfer Kasten schon, wie der Wind weht im Westsächsischen. Nachdem der Routinier die Versuche von Schietzold und Schlenker noch abwehren konnte, saß der dritte Versuch. Julian Talbot spielte ein feines give-and-go mit Carl Hudson, und der bewies einmal mehr seine Treffsicherheit und überwand den DSC-Schlußmann mit einem Schuss ins lange Eck. Der Aufsteiger wusste zunächst gar nicht, wo oben und unten ist, aber das gab sich nach genau drei Minuten und siebzehn Sekunden: gleich die erste Unaufmerksamkeit der Crimmitschauer Defensive bestraften die Gäste höchst effektiv, Leinweber wurde in Halbdistanz bedient und traf genau unters Dach.
Darauf hatten die Eispiraten allerdings noch eine Antwort: im Powerplay nahm erneut Sniper Hudson einen abgewehrten Puck und beförderte ihn an Bacashihua vorbei in die Maschen, Schlenker und McNally hatten zuvor die Führung verpasst. Danach zeigte sich dann schon mehrmals, dass Kim Collins mit seiner in der D-Cup-Pause vorgenommenen Reihenumstellung die angemahnte Verspieltheit im Angriff noch nicht ganz behoben hat. Hier noch ein Querpass, da noch ein Kringel – Deggendorf stand zwar unter Druck, aber einen Klassemann wie Bacashihua schießt man so nur warm. Und als der dann warm war, sah das Toreschießen für die Rot-Weißen so schwierig aus wie Trüffelsuchen im Sahnwald. Deggendorf nahm das 1:2 mit in die Pause und war damit gut bedient.
Das berühmte Katastrophendrittel
Die älteren unter den Sahnparkbesuchern werden sich noch erinnern: ging es in den Mittelabschnitt, stand den Crimmitschauern früher oft schon vor Anpfiff der Angstschweiß auf der Stirn. Es muss in den Neunzigern gewesen sein, als sich der Begriff „Katastrophendrittel“ im Sahnpark etablierte. An diese unschöne Tradition knüpften die aktuellen Rot-Weißen gestern leider an. Ging es in den ersten paar Minuten noch weiter Richtung Deggendorfer Tor, war spätestens mit dem Powerplay nach Hilbrichs Strafe Schluß mit Dominanz. Der Aufsteiger übernahm das Zepter, erzielte durch Litesov in Überzahl en Ausgleich und war fortan das bessere Team in den zweiten zwanzig Minuten. Dabei war das Konzept der Bayern so einfach wie erfolgreich: an der linken Bande fuhr ein Deggendorfer Angreifer schnell ins Drittel, bediente den rechts mitgelaufenen Mitspieler und der traf. In diesem Fall die Kombi Janzen/Litesov,später sollten dann Leinweber/Gibbons/Röthke das Gleiche probieren. Und zwar erfolgreich: nach einer Drangphase der Gäste kamen die Westsachsen zwar noch einmal besser ins Spiel, erzielten in Person von Patrick Klöpper auch einen Treffer, der aber nach Videostudium aberkannt wurde (die TV-Bilder hatten einen ungünstigen Kamerawinkel, um von hier aus endgültig beurteilen zu können, ob zu Recht oder nicht), aber in Minute 15 und 16b wurden sie gleich zweimal nach Schema F ausgekontert, und zweimal hieß der Torschütze Rene Röthke. Sebastian Albrecht, der unsicher wirkte, verließ daraufhin seinen Kasten, Brett Kilar übernahm. Der hielt zwar fortan alles, wirkte wesentlich ruhiger als sein nomineller Backup, aber Toreschießen konnte er nun doch nicht noch, und so ging es mit einem überraschenden, aufgrund der Deggendorfer Effizienz und Geradlinigkeit aber nicht unverdienten 2:4 in die Kabine.
Flicks Anschlusstreffer reicht nicht
Um es kurz zu machen: Deggendorf blieb defensiv stabil, die Eispiraten drückten zwar zwanzig Minuten lang auf Bacashihuas Gehäuse, aber viel kam nicht bei rum. Der Deggendorfer Schlussmann war warm genug, zeigte in einigen Situationen, warum er jahrelang einer der Besten seines Fachs in der deutschen Eliteliga war, und die Eispiraten machten es ihm auch nicht gerade schwer, zu glänzen. Zudem stellten sich die Rot-Weißen auch irgendwie zu brav an. Ja, es ist richtig: ziehen sie zu viele Strafen, ist es nicht richtig, sind es zu wenige, auch nicht. Aber so ein kleiner Weckruf hätte gestern zumindest nicht geschadet, der blieb aber aus.
Trotzdem bekamen die Rot-Weißen fünf Minuten vor Schluss unverhofft die Gelegenheit, das Spiel noch zu drehen: erst ging Müller auf die Strafbank, und kurz darauf gesellte sich Kasten nach einem mißglückten Befreiungsschlag, der in den Zuschauerrängen landete, hinzu. Aber auch das 5:3, in dem dann sogar einmal schnell geschossen wurde, brachte nicht den erhofften Erfolg. Erst als Müller schon wieder auf dem Eis war, gelang Rob Flick per Abstauber aus Nahdistanz der Anschlusstreffer. Und warum? Weil endlich mal jemand vor dem Tor platziert wurde. Aber dieses Tor kam dann wohl doch zu spät, Deggendorf brachte den Sieg über die Runden und verließ mit den drei Punkten den letzten Platz, während die Eispiraten, mit dem schweren Auswärtsspiel in Ravensburg vor der Brust, nun langsam sorgenvoll nach unten blicken müssen in der Tabelle.