Gleich vorweg: was die Eispiraten und die Gäste vom SC Riessersee heute abend im Sahnpark abgeliefert haben, war pure Werbung für den Eishockeysport und sicherlich eines der besten Spiele des vergangenen Jahrzehnts im Crimmitschauer Eisstadion. Dass die Rot-Weissen letztendlich alle drei Punkte zu Hause behalten können, macht für uns die Sache natürlich um so angenehmer. Es ist uns eine Ehre, dieses Team begleiten zu dürfen. Nach diesem 18. Spieltag dürfen, was den Schreiber betrifft, die emotionalen Schulden der vergangenen Spielzeit als beglichen betrachtet werden.
Rot-Weiss gegen Matthias Nemec
Der erste Durchgang des Matches entwickelte sich recht schnell zur One-Man-Show des Matthias Nemec im Garmischer Gehäuse. Die Angriffswellen der wieder äußerst spielfreudig ins Geschehen startenden Eispiraten brandeten wie Meereswellen immer und immer wieder in Richtung des Gästetores, aber der SCR-Goalie präsentierte sich in herausragender Verfassung und brachte gleich in den ersten Minuten eine ganze Handvoll rot-weisser Angreifer zum Kopfschütteln. Die Eispiraten ließen sich davon aber überhaupt nicht aus dem Rhythmus bringen und wirbelten mit einer Selbstverständlichkeit in der Offensivzone, die wohl nur mit dem gesunden Selbstvertrauen eines Teams mach- und erklärbar ist, das einen wirklichen Lauf hat. Nun war es aber beileibe nicht so, dass sich die Gäste davon komplett ins Bockshorn jagen ließen: mit dem Angriffspotential, das die Oberbayern in ihren Reihen haben, lässt sich in jeder Situation blitzschnell Gefahr erzeugen, und so musste auch Olivier Roy bei den schnellen Kontern der Garmischer auf der Hut sein. War er auch, und auch, wenn der Kanadier weniger zu tun hatte als sein Gegenüber, stand er diesem in nichts nach. Als in der achten Spielminute mit Gschmeißner und Driendl gleich zwei Riesserseer auf der Strafbank Platz nehmen mussten, verlagerte sich das Spielgeschehen naturgemäß komplett ins Gästedritttel. Aber auch in dieser Phase war das Nemec-Tor wie vernagelt. Dabei kann man den Eispiraten nicht vorwerfen, ihre Chancen vertändelt zu haben, die Schüsse kamen alle aufs Ziel, es wurde auch zielstrebig gespielt, und trotzdem bekam Nemec immer wieder die Tatzen ran an den Puck. Dieses Anrennen setzte sich auch tatsächlich bis zur 20. Minute fort, erst mit der Strafe gegen Robbie Czarnik konnten die Gäste etwas Luft holen. Dass sich mit dem Abpfiff Patrick Pohl auch noch zwei Minuten einfing, sollte sich dann schnell rächen:
Riessersee trifft in doppelter Überzahl
Denn in der 22. Spielminute folgte im 5 vs. 3 die kalte Dusche für die Gastgeber. Johansson hatte an der blauen Linie freie Schussbahn und ballerte den Puck unten links in die Maschen, keine Chance für Roy. Und das war auch in der Folgezeit ein Wirkungstreffer am Kinn der Eispiraten. Riessersee riss das Geschehen an sich und war für die nächsten zehn, zwölf Minuten das bessere Team auf dem Eis. Plötzlich stand Olivier Roy mehr und mehr im Mittelpunkt der Aktionen, doch auch der Crimmitschauer Schlussmann zeigte sich schier unüberwindbar. Vor allem die SCR-Topscorer Mueller, Driendl und Dibelka zerrten an den Ketten, doch mit Glück und Geschick überstanden die Hausherren diese Druckphase ohne weiteren Gegentreffer. Erst gegen Mitte des Drittels berappelten sich die Rot-Weissen wieder, verlegten sich wieder aufs Angreifen und hatten durch Saarinen, Schlenker, Knackstedt und auch Olleff gute Gelegenheiten zum Ausgleich. Aber: Nemec hielt weiter dicht und wollte das rassige Goalieduell nicht verlieren. So stand es dann nach vierzig gespielten Minuten 0:1 in einem Spiel, das locker zehn Tore verdient gehabt hätte bis dahin. Und manch Zuschauer dachte bestimmt schon, es sei eines dieser Matches, in denen man auch in hundert Minuten noch kein eigenes Tor erzielt haben würde…
Was lange währt, wird gut
Zum Glück scheint den Eispiratenspielern dieses Denken seit voriger Saison vollkommen verloren gegangen zu sein. Unbeirrt von den zahlreichen nicht genutzten Chancen rissen die Gastgeber sofort nach Wiederanpfiff das Heft des Handelns wieder an sich und fuhren Angriff um Angriff. Mit der Gelassenheit des Sisyphos und dem Glauben an die eigene Stärke wurde Nemec weiter mit Schüssen zugedeckt, bis es endlich klappte. Das war dann in der 51. Minute: Patrick Pohl spielte unter Bedrängnis von der Bande aus einen blitzgescheiten Pass in den Lauf des ins Drittel startenden Ossi Saarinen, und der fand endlich die Lücke und bezwang den starken Nemec mit einem platzierten Handgelenksschuss ins rechte Eck. Die Eispiraten, und jetzt vor allem die Pohl-Formation, machten gleich mit dem Dauerdruck weiter, konnten aber nicht nachlegen. Erst fünf Minuten vor dem Ende zeigten sich die Gäste mal wieder vor Roy, dann aber gleich wieder druckvoll und brandgefährlich. In diese leichte Druckphase der Gäste hinein fuhr dann Goldhelm Jordan Knackstedt einen Konter, wurde dabei von Wilhelm gelegt und holte so die entscheidende Strafe des Spieles heraus. Denn eine dreiviertel Minute später war es Patrick Pohl, der einmal austesten wollte, ob das Dach des Sahnparks wirklich fliegen kann: mit dem Glück des Tüchtigen gesegnet, weil der zuständige SCR-Verteidiger bei einer Abwehraktion seinen Schläger aufs Eis warf, kurvte der Berliner bis vor Nemec und zog straff aus dem Handgelenk ab. Weil die Scheibe sofort wieder heraussprang, zogen die gut leitenden Herren Krawinkel und Lenhart, die für die während des Spieles oft eigenartige Abseitsauslegung ihrer Linesmen nichts konnten, den Review-Monitor zu Rate. Ergebnis der Videoschau: richtigerweise Tor. Riessersee versuchte zwar in den verbleibenden zwei Minuten noch einmal alles, aber das 2:1 brachten die Rot-Weissen dann doch erstaunlich souverän über die Runden.
Der Ausblick
Nach diesem bayerischen Wochenende mit vier Punkten und vielen glänzenden Fanaugen auf Eispiratenseite erwartet das Team von Kim Collins in der nächsten Woche ganz schwere Kost: am Freitag gastiert mit den Frankfurter Löwen der amtierende DEL2-Meister im Sahnpark beim Duell Vierter gegen Zweiter, am Sonntag müssen die Crimmitschauer dann nach Dresden zu den nächsten Löwen. Erinnern wir uns doch einfach gerne noch einmal an die Hinspielrunde, da gab es zweimal gerupfte Mähne. Eine Wiederholung sollte man wohl nicht erwarten, aber die Collins-Jungs haben uns in dieser Spielzeit nicht erst einmal positiv überrascht…