Man sollte niemals glauben, im Eishockey schon alles gesehen zu haben. Denn hin und wieder passieren Dinge, die sind rational schlichtweg unbeschreiblich. Aber der Reihe nach…

Nach der eher unglücklichen, weil mit zu wenigen Toren belohnten Heimniederlage am Sonntag begann die Serie für die Eispiraten nunmehr im best of five mit Auswärtsspiel in Rosenheim von vorne. In unveränderter Aufstellung – im Gegensatz zu Rosenheim, die seit Sonntag auf drei Spieler weniger zurückgreifen können – begann das Team von John Tripp das Spiel und der Auftakt war alles andere als gut. Denn schon nach 4 Minuten zeigten die Sachsen ein schwaches Umschaltspiel und ließen einen 3 auf 2 Konter der Gastgeber zu. Wenzels strammen Schuss wehrte Ryan Nie noch ab, jedoch direkt vor die Füße von Andreas Nowak, der fast ungehindert einschieben konnte.

Für die Crimmitschauer schien dieser Gegentreffer jedoch ein regelrechter Weckruf zu sein, denn vollkommen unbeeindruckt rissen sie von Wechsel zu Wechsel die Partie an sich. Der Ausgleich durch Bernhard Keil sollte daher schon in der 8. Minute fallen und geht zu 90% auf Patrick Pohl, der gleich den gesamten Rosenheimer Block mit einem Solo alt aussehen ließ.

Nur 17 Sekunden später drosch Ivan Ciernik aus spitzem Winkel die Scheibe zum 1:2 unter die Latte, weil ihm von hinter dem Tor der desorientierte Goalie Herden die Scheibe direkt auf den Schläger servierte. Ein Fauxpas, wie er bei Herden keine Seltenheit ist.

Crimmitschau hatte also im Handumdrehen einen Vorteil erzielt, was den Hausherren nicht wirklich schmeckte. Christian Neuert ließ sich in der 9. Minute zu einem fiesen Check gegen Halbauer hinreißen. Von hinten und ohne Chance auf den Puck knallte der Rosenheimer den Crimmitschauer Verteidiger in die Bande. Am Sonntag gab es für Ähnliches 5+20 (Keil), Neuert kam mit 2+10 davon, obwohl Halbauer vom Doc gestützt in die Kabine gebracht werden musste.

Die Eispiraten gaben auf dem Eis die richtige Antwort und nutzten das Powerplay durch eine Direktabnahme von Pohl zum 1:3 (11.). Drei Gegentore in etwa 2 1/2 Minuten waren zu viel für Goalie Herden, der entnervt Platz machte für Lukas Steinhauer. Doch ein Signal an die übrigen Rosenheimer war das keines, denn die wussten schlichtweg nicht wie ihnen geschah und Crimmitschau zog ohne wirkliche Gegenwehr der Hausherren einen Angriff nach dem anderen auf.

So war es nicht mehr überraschend, dass Christoph Kabitzky in der 18.Minute nach schöner Einzelleistung gar das 1:4 erzielte. Während die Eispiraten eine prima Leistung ablieferten, musste man über den Zustand und das Auftreten der Gatsgeber regelrecht geschockt sein, was das Rosenheimer Publikum auch zum Ausdruck brachte.

Auf ein Feuerwerk der Oberbayern im Mittelabschnitt wartete man vergeblich. Man ist ja von den Eispiraten schon einiges gewohnt, aber die Sachsen ließen sich nicht von ihrer Linie abbringen, so dass Rosenheim auch in den zweiten 20 Minuten nahezu keinen Stich sah.

Es spielten die Eispiraten gegen SBR-Goalie Lukas Steinhauer. Während sich die Spieler der Starbulls auf der Bank vor lauter Frust schon gegenseitig ankeiften, war es einzig der Backup der Grün-Weißen, der mit sehr starken Paraden seine Farben vor einem Debakel rettete.

Hätten die Crimmitschauer schon im ersten Drittel noch 1 bis 2 Tore schießen können, so hätten anhand der Anzahl und der Qualität der Chancen im zweiten Drittel eigentlich ebenfalls noch mal 3 bis 4 Tore dazukommen können – wenn nicht müssen. Zumindest eines hätte aber schon gereicht, um den völlig indisponiert und überspielt wirkenden Rosenheimern den entscheidende Stein an den Fuß zu binden und sie in der Mangfall untergehen zu lassen.

13:37 Torschüsse nach 40 Minuten sagen nicht nur etwas über den Spielverlauf, sondern auch über den Zustand der nicht mehr existenten Rosenheimer. In Richtung Crimmitschau gilt es nur einen Vorwurf zu machen: Es war „nur“ eine 3-Tore-Führung.

Doch selbst dies müsste eigentlich reichen. Müsste… Denn zum einen erinnerten sich die Rosenheimer in der 2.Pause offenbar an die Freitagspartie zurück, in der es nach 40 Minuten ebenfalls 1:4 stand und den Schützlingen von Tom Schädler fast die Wende gelungen wäre, und zum anderen hat sich wohl auch in der Crimmitschauer Kabine in der Pause etwas Seltsames abgespielt. Zumindest aber in den Köpfen der Eispiraten, denn die begannen das letzte Drittel wie verwandelt. Die Einstellung der Mannschaft fühlte man als Fan bis auf die Tribüne: „Mensch Rosenheimer, nun nehmt unsere Einladung doch mal an…“.

Ohne Spannung und ohne Konzentration überließen die Gäste den Rosenheimern Scheibe und Spielfeld, die das in der 45. Minute durch Neuerts Nachgestocher auch gleich zum 2:4 nutzten.

Spätestens da hätten die Crimmitschauer merken müssen, dass das Stündlein geschlagen hat. Taten sie aber nicht, so dass schließlich ein Sonntagsschuss Valkonens im Powerplay den SBR endgültig in die Partie zurückbrachte (50.). Ohne dass er bereits gefallen wäre, war der 4:4-Ausgleich mit dem Anschlusstreffer Rosenheims mehr oder minder beschlossene Sache. Denn nicht nur das einheimische Publikum war nun aus seinem frustrierten Dellirium erwacht, sondern auch die Starbulls, die ihre zweite Luft fanden.

Nicht so die Eispiraten. Die schnarchten vor sich hin, bekamen keinerlei Zugriff mehr aufs Spiel und hatten keinen schlauen Einfall wie sie die anrennenden Rosenheimer in Zaum halten sollten. Auch eine Auszeit John Tripps in der Schlussphase bewirkte eher das Gegenteil.

So war es schließlich SBR-Kapitän Michael Rohner, der nach Bullygewinn vor Nie trocken unter die Latte abzog und 3 Minuten vor Ende die Auferstehung der Starbulls besiegelte. Die Eispiraten hatten den Rosenheimern wohlgesonnen unter die Arme gegriffen und beim Aufstehen geholfen.

Es ging also in die Verlängerung. Und diese sollte lang werden und fast noch einmal ein ganzes Eishockey-Spiel dauern. Die Sachsen hatten sich nach dem Ausgleichsschock zumindest körperlich und mental wieder gefangen, so dass sich eine Partie auf Augenhöhe entwickelte, die in der ersten Verlängerung noch mit reichlich Schüssen und Chancen auf und ab ging, ab der zweiten Overtime aber immer mehr zu einem Abnutzungskampf mutierte.

Die famosen ersten 40 Minuten der Crimmitschauer und die letzten 20 Minuten Aufholjagd der Rosenheimer waren schnell vergessen. Es war ein neues Spiel, das sich beide Teams lieferten und das erste Tor war gleichbedeutend mit dem Spielende. Gegen Mitternacht sollte es schließlich soweit sein. Und es passt in die Dramaturgie dieser Partie, dass Rosenheim jubeln sollte. Einen völlig missratenen Diagonalpass von Bartek konnte Scofield im Eispiraten-Drittel abfangen und über Burt und Lewis landete die Scheibe am langen Pfosten schließlich wieder bei Scofield, der aus Nahdistanz einschob.

Man könnte nun debattieren, wieso die Crimmitschauer 40 Minuten lang lieber den gegnerischen Goalie berühmt geschossen haben, anstatt den Sack zuzumachen. Und man könnte auch debattieren, warum die Eispiraten im letzten Drittel so desolat organisiert waren, vollkommen einbrachen und Rosenheim den Ausgleich auf dem Silbertablett überreichten. Kurzum: Wir könnten uns alle die Köpfe heiß reden, alles auf diese elendige Saison schieben, abermals alles und jeden zum Teufel wünschen und die Ungerechtigkeit dieser Welt in rot-weißen Farben vereinen.

Oder aber wir einigen uns darauf: Scheiß drauf, es war nur ein Spiel und nur die 2:1-Serienführung der Rosenheimer. Die Starbulls haben mit diesem Spiel – so kurios und wenig nachvollziehbar es auch gelaufen sein mag – genauso wenig den Klassenerhalt geschafft, wie die Eispiraten den Abstieg besiegelt haben.

Deshalb: Mund abputzen, aufstehen, weitermachen. Am Freitag ist die Bayern-Truppe wieder im Sahnpark und dann wird die Wäscheleine mit Lederhosen geschmückt!