Erstmals seit dem Frühjahr 2019 stehen die Eispiraten wieder in den DEL2-Playoffs! Im Viertelfinale bekommt es Crimmitschau mit dem Team aus Ravensburg zu tun. etconline wirft einen genauen Blick auf die beiden Duellanten und wagt eine Prognose für die Serie.

Das Kribbeln wird stärker, das Playoff-Fieber greift um sich!

Auf zahlreiche Faktoren wird es nun in der fünften Jahreszeit ankommen. Diese Faktoren schauen wir uns daher ausführlich an und bewerten deren Stärke mit bis zu 5 Pucks.

Faktor Trainer/Spielsystem
Sowohl Ravensburg als auch Crimmitschau spielen eine sehr laufintensive und auf Forechecking ausgeprägte Strategie. Insofern ähneln sich die Spielsysteme beider Teams, doch Ravensburg hat in Sachen Spieleröffnung und Spielgestaltung im gegnerischen Drittel deutliche Vorteile. Vom Ravensburger Spiel geht ein erfrischender Esprit sowie Spielwitz und (Gedanken-)Schnelligkeit aus.

Peter Russell, der ehemalige Nationaltrainer Großbritanniens und DEL-2 Trainer des Jahres 2019/20, hat in zwei erfolgreichen Spielzeiten den Erfolg nach Freiburg zurückgebracht und alle Vorschusslorbeeren nun auch in Ravensburg bestätigen können. Dem Ravensburger Headcoach haftet der Erfolg quasi an.

Das Eispiraten-System krankt immer dann, wenn man in Rückstand gerät, da dem auf defensive Grundsicherung ausgerichteten Spiel dann der fehlende Zug nach vorne zum Verhängnis wird. Das Spiel machen zu müssen bzw. an sich zu reißen, widerspricht dem taktischen Ansatz von Bazany. Insofern ist es etwas altbacken und offensiv monoton, was die Crimmitschauer anbieten. Ein Ansatz, dem entgegen zu steuern, wurde spielerisch und taktisch während der ganzen Hauptrunde nicht gefunden.

Ravensburg: Crimmitschau:

Faktor Torhüter
Keine Frage, sowohl RV-Goalie Jonas Langmann als auch Luka Gracnar sind der große Rückhalt ihres Teams. Langman, DEL2-Champion 2018/19 und MVP der Playoffs, hat dabei nach minimalen Hängern zu Saisonbeginn seine überdurchschnittliche Stärke wiedergefunden und landete nach der Hauptrunde mit 43 Einsätzen bei 2.32 Gegentoren pro Spiel, einer Fangquote von  92.25% sowie 4 Shutouts, davon übrigens zwei gegen die Eispiraten.

Luka Gracnar ist wertemäßig sogar noch einen Tick (2.28 GT/Sp, 92.33%, 2 SO) besser. Da sind also wirklich zwei Meister ihres Fachs am Werk und werden großen Einfluss auf Wohl und Wehe ihres Teams haben.

Ravensburg: Crimmitschau:

Faktor Abwehr
Offense wins games, defense wins championships. Geht man nach dieser alten Eishockey-Weisheit, sollten sowohl die Oberschwaben als auch die Westsachsen reif für den Titel sein. Mit 2.41 (RV) und 2.59 (EPC) Gegentoren pro Spiel liegen die zwei Kontrahenten unter den besten Vier der Liga. Mit der Stärke der beiden Top-Goalies im Rücken liefern die Abwehrreihen eine sehr strukturierte und sichere Defensivarbeit, lassen die gegnerischen Angreifer zumeist kaum zur Entfaltung kommen und bestechen obendrein mit Zweikampfstärke.

Der große Trumpf und gleichzeitig der große Unterschied zwischen beiden Teams ist aber, dass Ravensburg aus der Abwehr heraus noch dazu sehr offensivstark werden kann. Und so würden die zwei Top-Verteidiger James Bettauer (43 Sp, 13+23) und Julian Eichinger (51 Sp, 4+31) im Eispiraten-Trikot sogar den Goldhelm unter sich ausmachen. Während Eichinger eher der Defender mit dem starken Eröffnungspass ist, kommt Bettauer regelmäßig als vierter Stürmer daher. Zusammen hat das Duo jedenfalls mehr Scorerpunkte gesammelt als die gesamte Eispiraten-Defensive zusammen. Nicht außer Acht lassen sollte man aber auch Pawel Dronia (46 Sp, 6+17), Denis Pfaffengut (47 Sp, 2+20), Simon Gnyp (20 Sp, 3+12) und Florin Ketterer (40 Sp, 2+13). Tim Sezemsky (42 Sp, 1+6) ist der einzige, den es nicht so stark nach vorne zieht.

Mit 16 Scorerpunkten punktbester Verteidiger zu werden, ist seit 1990 ein absolutes Novum in Crimmitschau. Noch nie hatte der beste Abwehrspieler weniger Punkte. Unter dem Strich haben die Eispiraten-Defender auch nur 61 Punkte sammeln können, dabei gerade einmal 13 Tore – so viele wie allein James Bettauer auf der Gegenseite. So gut es im eigenen Drittel klappt, so limitiert hat sich doch die Crimmitschauer Abwehr von der Blauen Linie sowie im Spielaufbau gezeigt. Auch ein mageres Powerplaytor eines Abwehrspielers spricht nicht gerade für den Offensivgeist der rot-weißen Verteidiger. Dieses Tor stammt übrigens von Mario Sclazo, der als Abwehrmann mit den besten technischen Fertigkeiten, der größten Erfahrung und dem spürbarsten Offensivdrang seit 17 Spielen auf einen Scorerpunkt wartet. Das ganze Dilemma der Eispiraten lässt sich auf die Feststellung herunterbrechen, dass das Crimmitschauer Spiel zwischen den Abwehr- und den Sturmlinien ein riesen Vakuum ist.

Ravensburg: Crimmitschau:

Faktor Sturm
Ein Ravensburger Puzzle kann schon mal ganz schön knifflig sein – das mit den 16 Teilen bzw. Stürmern hat Coach Russell auf jeden Fall mit Bravour zusammengebaut. Es harmoniert merklich im Angriff der Turmstädter, die sowohl bei den Schüssen pro Spiel, bei den Toren pro Spiel und bei der Schusseffizienz Rang 3 in der Liga belegen. Und dabei ist es nicht DIE eine Reihe, an der die Torgefahr festzumachen ist, sondern es sind deren drei Angriffsformationen, die dem Gegner mit reichlich Scoringtouch einheizen. Und doch sticht aus einer homogenen Offensive der US-Amerikaner Sam Herr mit seinen 31 Toren und 25 Vorlagen in 49 Einsätzen heraus. Dahinter versammeln sich drei weitere Kontingentsürmer, nämlich Charlie Sarault (CAN, 51 Sp, 12+34), Robbie Czarnik (USA, 47 Sp, 15+30) und Josh MacDonald (CAN, 47 Sp, 17+19), sowie die deutschen Leistungsträger David Zucker (47 Sp, 17+25) und Kapitän Vincenz Mayer (51 Sp, 19+22). In diese Kategorie gehört eigentlich auch Andreas Driendl (23 Sp, 2+8), doch der inzwischen 36jährige hat nach langer Verletzungspause den Anschluss nie mehr so richtig gefunden. In den Playoffs soll er mit seiner Erfahrung nun wieder zum gewohnten Schlüsselspieler werden. Gleiches erwartet man an der Schussen vom nachverpflichteten Nick Latta (7 Sp, 2+4), der immerhin 7 Jahre DEL auf dem Buckel hat und diese Erfahrung nun ebenfalls in die Waagschale werfen soll. Die Profiteure sollen die jüngeren Cracks wie Fabian Dietz (42 Sp, 18+15), Georgiy Saakyan (46 Sp, 11+16), Vincent Hessler (45 Sp, 3+10), Enrico Henriquez-Morales (19 Sp, 4+4), Alexander Dosch (46 Sp, 3+5) , Martin Hlozek (41 Sp, 2+5), Louis Brune (19 Sp, 1+2) und Louis Latta (4 Sp, 0+1) werden.

Die Offensiv-Werte der Crimmitschauer hingegen lesen sich wie ein Gruselkabinett des Eishockeys und man muss sich schon verwundert die Augen reiben, dass das zum direkten Playoff-Einzug reichte. Zumindest damit dürften die Eispiraten aber eine neue Messlatte des Minimalismus in der DEL2 gesetzt haben. Beispiele gefällig? Die zweitwenigsten geschossenen Tore, die zweitschwächste Schusseffizienz – nur der abgeschlagene Letzte aus Selb war in diesen Kategorien schlechter. Dazu haben die Crimmitschauer den punktschwächsten Goldhelm in ihren Reihen, aus denen es selbstredend auch keiner über 20 Tore geschafft hat. 7 Spiele endeten ohne Eispiraten-Tor. Weniger Hauptrundentreffer als heuer (2.61 pro Spiel) gab es zuletzt in der Saison 2016/17 (2.44). Rückblickend hat der Eispiraten-Sturm in der bisherigen Saison keine Spiele gerettet, im Gegenteil. Die mitunter kollektive Harmlosigkeit vor dem gegnerischen Tor, die selbst Vorjahres-Sniper Mathieu Lemay befiel, hat wohl eher den ein oder anderen Punkt gekostet. Die große Hoffnung für die Playoffs: Potential ist ja eigentlich da, torgefährliche Stürmer sind vorhanden. Allein daraus auch ansehnliche und erfolgreiche Offensivaktionen zu fabrizieren, ist in 6 Monaten Hauptrunde in den allerwenigsten Fällen gelungen. Vielleicht ja jetzt in den Playoffs!

Ravensburg: Crimmitschau:

Faktor Special Teams
Immer wenn sich Teams bei 5 gegen 5 neutralisieren – und das ist in den Playoffs gerne mal der Fall – wird diese eine Powerplaysituation oder dieses eine Unterzahlspiel schnell zum Richter über Sieg oder Niederlage. Dementsprechend rüstig sollte man also mit den Special Teams in die Meisterrunde gehen, wenn man etwas reißen will.

In der Kategorie Powerplay sind die Towerstars mit 25.4% bzw. dem zweitbesten Wert der Liga auf jeden Fall gewappnet für enge Spiele, wobei kein Team der DEL2 weniger Überzahlspiele zugesprochen bekam als die Cracks aus dem Schussental. Wenn Czarnik & Co. aber in den Genuss der numerischen Überlegenheit kommen, dann kracht es in 1 von 4 Situationen. Im Penaltykill schaut es nahezu identisch aus. Auch hier ging kein Team der Liga seltener in die Kühlbox und auch hier kann der Gegner bei 4 Situationen 1 Tor erzielen. Sonderlich gut ist das im Gegensatz zur Überzahl allerdings nicht angesichts der ansonsten sehr starken Defensive. Die unterdurchschnittlichen 76.8% Unterzahlquote befähigen das Team von Peter Russell jedenfalls nur zu einem 10.Platz im Ligavergleich.

Über das Powerplay der Eispiraten wurde schon viel geschrieben und viel diskutiert. Man kann es ganz kurz auf den Punkt bringen: Eine einzige Katastrophe. Gerade einmal 19 Überzahltore bzw. eine Quote von 13.1% stehen da zu Buche – fast 10% weniger als noch vergangene Saison und so schlecht wie seit 2011/12 nicht mehr. Nicht überraschend, dass die Westsachsen hier das Schlusslicht der Liga bilden. Die Eispiraten versprühen in diesen so wichtigen Situationen weder Power noch Play. Das Unterzahlspiel hingegen kann sich sehen lassen und steht mit leicht überdurchschnittlichen 81.9% auf einem sehr soliden 5. Platz der DEL2. Hätte man sich diese Statistik nicht im letzten Spiel in Frankfurt mit 4 Gegentoren in 4 Situationen zerschossen, wäre ein Übertreffen des Vorjahreswerts (84.1%) und des Rekords aus 2007/08 (84.6%) möglich gewesen. Aber auch wenn es dazu nicht reichte: Penaltykilling funktioniert sehr ordentlich.

Ravensburg: Crimmitschau:

Faktor Fans
Hier gibt es keine zwei Meinungen! Der Sahnpark ist, wenn er aufgeweckt wird, das lauteste Stadion der Liga mit den geilsten Fans der Liga. Die Eispiraten-Fans werden ihrem Team gebührend den Rücken stärken und vor allem auch auswärts zahlreich und lautstark vertreten sein – ganz klarer Vorteil gegenüber den Oberschwaben.

Inwiefern die Fans am Ende Zünglein an der Waage sein könnten, ist weder vorhersehbar noch messbar. Allerdings liegt es an der rot-weißen Anhängerschar selbst, sowohl eine mehr als heiße Playoff-Stimmung zu verbreiten als auch bedingungslos hinter dem Team zu stehen – eben auch, wenn es auf dem Eis nicht so läuft.

*Ravensburg: *Crimmitschau:

*Bewertung mit einem Augenzwinkern und doppelt verstärkter rot-weißer Brille

Prognose
Ravensburg ist ganz klar der Favorit in dieser Serie und bekommt obendrein noch den Stempel „haushoch“ verpasst, weil sich Crimmitschau gegen die Top Teams der Liga (Frankfurt, Dresden, Ravensburg) in der Hauptrunde allzu dürftig aus der Affäre gezogen hat. Gegen die Oberschwaben etwa gab es für die Espiraten in den 3 absolvierten Spielen 0 Punkte und 1:12 Tore vor den Bug. Einen faktenbezogenen Mutmacher für ein von Erfolg gekröhntes Playoff-Viertelfinale der Pleißestädter gibt es nicht wirklich. Crimmitschau hat gegen Ravensburg quasi keine Chance. Diese gilt es aber zu nutzen, denn es ist Sport und damit ist allen Underdog-Unkenrufen zum Trotz keinesfalls in Stein gemeißelt, dass die Eispiraten den April schon in der Sommerpause verbringen. Neben dem Prinzip Hoffnung muss es dazu bei den Crimmitschauern allerdings zu 110% passen, während Ravensburgs Getriebe mit dem ein oder anderen Schubkarren Sand versorgt werden müsste. Ein drittes Heimspiel bzw. Spiel 6 in der Serie zu erreichen, wäre schon ein großer Erfolg für die Eispiraten.

Tipp: Die rot-weiß gefärbte etconline-Glaskugel sagt einen dramatischen Eispiraten-Sieg in Spiel 7 und damit den 4:3-Seriengewinn voraus. Schließlich haben die Ravensburger noch keine einzige best-of-Serie gegen Crimmitschau gewonnen, geschweige denn ein Spiel! Zwei Serien gab es bislang: 2005/06 in den Aufstiegs-Playoffs zur 2. Bundesliga und 2017/18 in den Pre-Playoffs).
Der nüchterne Blick auf die Zahlen, Statistiken und Kaderlisten hingegen lässt nicht mehr als ein 1:4 aus Sicht der Westsachsen zu.