Mit einem quasi dreifachen Happyend gelang den Eispiraten am späten Sonntagnachmittag der vierte Sieg im vierten Spiel der noch jungen DEL2-Saison 2021/22. Happyend Nr.1: nach einem 0:3 nach zwanzig Minuten überhaupt noch in die Punkte zu kommen. Happyend Nr.2: eine Stadionuhr zu haben, die schnell noch auf 60:00,1 springt, bevor der Puck hinter Luca Gracnar einschlägt. Happyend Nr.3: kurz vor Ende der Verlängerung den vermeintlichen Siegtreffer aberkannt zu bekommen, um dann doch noch im Shootout zu siegen.
Aus Sieben mach Drei – gnadenlose Freiburger Effizienz
So bockstark die Eispiraten in den bisherigen drei Partien aus den Startblöcken kamen, so derbe erwischte es sie heute im Startdrittel gegen die Freiburger Wölfe. Noch keine zwei Minuten waren gespielt, da vollendete Chris Billich McLellans Zuckerpass gekonnt zum 0:1. Die Eispiraten zeigten sich zwar nicht direkt geschockt, hatten aber sichtlich Mühe mit der kleinlichen und zu diesem Zeitpunkt etwas einseitig wirkenden Regelauslegung des vierköpfigen Schiedsrichtergespanns. Dass sich das im Laufe des Spiels bessern sollte, sowohl was die Einseitigkeit als auch die Adaption der Rot-Weißen betrifft, wollen wir an dieser Stelle nicht verschweigen. Trotzdem saßen erst Marius Demmler und dann Patrick Pohl auf der Strafbank, wobei vor allem letztere Strafe ins Geschichtsbuch eingehen dürfte, denn dass „Blacky“ Pohl wegen übertriebener Härte rausgeht, sollte eigentlich verboten sein. War ja auch Unsinn, nachdem er eigentlich nur etwas Gold vom Freiburger Topscorerhelm runterkratzen wollte. Konsequenzen hatten die zwei Minuten allerdings nicht, im Gegensatz zu denen von Demmler: das Powerplay nutzte nämlich erneut Billich mit einem cleveren Tip-In zum 0:2. Crimmitschau rannte danach an, aber ganz so reibungslos wie in den Partien zuvor sah das alles nicht aus. Im Gegenteil: nach einem eher mäßigen doppelten Überzahlspiel der Hausherren gelang Kiefersauer eine kleine Sensation: erst nahm der bei einfacher Unterzahl Matt Lemay an der blauen Linie den Puck ab und wurde dann von diesem trotz sofortigen Hinterhereilens NICHT eingeholt, was der Freiburger dann auch noch mit dem 0:3 ins rechte untere Eck krönen konnte. Das war Freiburgs siebter Torschuss in diesem Drittel, und die Quote von dabei erzielten drei Treffern muss man mal anerkennen, zumal gegen den statistisch bis dato fangsichersten Goalie der Liga.
Matt Lemay öffnet die Ketchupflasche
Marian Bazany scheint in der Kabine die richtigen Worte gefunden zu haben, denn trotz des Ausfalls von Patrick Pohl, der zum zweiten Durchgang nicht mehr mit aufs Eis kam, zogen die Hausherren die Zügel nun merklich an und drückten Freiburg weiter und weiter hinten rein. Was nicht heißt, dass die Wölfe mit ihrem bissigen, schnellen Umkehrspiel nicht immer gefährlich blieben. Danners doppelter Innenpfostentreffer soll da mal als Beleg herhalten. Ansonsten konnten sich die Eispiraten auf einen immer sicherer wirkenden Luca Gracnar verlassen, der sich nach den drei Dingern aus dem Startdrittel wohl nicht gleich wieder überwinden lassen wollte. Sein Gegenüber Patrik Cerveny stand aber in nichts nach und brachte immer wieder ein Körper- oder Ausrüstungsteil in die Schussbahn der rot-weißen Angreifer. Es brauchte also wieder einen Raketenmoment, und wer wäre besser dafür geeignet, den zu zünden, wie Mathieu Lemay, der Usain Bolt der Liga. Unaufhaltsam bretterte der Kanadier also in Minute 34 gen Cerveny, umkurfvte diesen noch und brachte endlich, endlich etwas Rot-Weißes aufs Scoreboard. Von da an war von Freiburg nichts mehr zu sehen, ganze zehn Torschüsse verzeichneten die Wölfe in den letzten vierzig Minuten. Und weil Bietigheims Pokorny jetzt zwar Freiburgs Pokorny, aber halt immer noch Pokorny ist, brachte er kurz vor Drittelende eine typische Pokorny-Aktion, jagte Lemay kopfüber in die Bande, setzte sích dafür auf die Strafbank und sah sich vom Logenplatz aus das schnell folgende und zu diesem Zeitpunkt sehr schön das Eishockeywort „Momentum“ illustrierende 2:3 Scott Fesers an, der einen Bandenabpraller ins Netz bugsierte.
Scott Fesers Nr.4 und die Bedeutung von Zehntelsekunden
Und Scott Feser hatte sichtlich Spaß am Reboundversenken gefunden, denn nur reichlich eine Minute nach Wiederanpfiff groundete er die nächste Scheibe hinter Cerveny. Nr. 4 an diesem Wochenende vom treffsicheren Deutschkanadier, und damit nunmehr erfolgreichster Eispirat. Damit hatte der Sahnpark dann langsam auch mal Lautstärkelevel MAX erreicht, und die Rot-Weißen drückten weiter und weiter auf den Siegtreffer. Erst nachdem Feser für einen Puck über das Plexiglas Richtung Attackekurve aufs Sünderbänkchen beordert wurde, konnten die Gäste sich wieder etwas befreien und den eigenen Hochdruckkessel hinten mal etwas entlüften. Etwas vorsichtiger von beiden Seiten ging es in die Schlussminuten, trotzdem blieben die Gastgeber das bestimmende Team. Und dann kam, was kommen musste: eine Sekunde vor Ultimo erhielt Pageau an der Bande die Scheibe, setzte einen letzten Schuss auf Gracnars Gehäuse ab, und es klingelte. Freiburg am Jubeln, die Eispiratenspieler mit schon etwas hängenden Köpfen, und die Herren Falten, Westrich, Milling und Laudan mit der glänzenden Idee, sich den Spaß nochmal in Zeitlupe bei mitlaufender Spielzeituhr anzuschauen. Was ein Glück, denn nach Begutachtung der Bilder lautete die Entscheidung „no goal“, und wir vermuten mal, dass das höchstens eine Zehntelsekunde gewesen sein kann,die hier den Unterschied zwischen null und zwei Punkten ausgemacht hat.
Es ging also in die Overtime, und die verlief wesentlich ansehnlicher als die am Freitag in Kaufbeuren. Wie es sich für ein zünftiges drei vs. drei gehört, ging es hin und her und hin und her. Chancen durch Allen und Pageau hüben, Schlenker und Timmins drüben, aber die Herren Cerveny und Gracnar hatten Bock auf Penaltyschiessen und ließen sich nicht überwinden. Eng wurde es nur noch einmal für die Gäste gegen Ende der Verlängerung. Konnte sich Scott Allen nach seinem Bandencheck noch auf Filip Reisneckers Revanche verlassen, was beide auf die Strafbank brachte, so nahm Billich kurz darauf ganz alleine Platz im Glashaus und sah wenig später die Eispiraten jubelnd abdrehen, nachdem Käptn Vince Schlenker das 4:3 erzielt hatte. Aber auch hier: zu früh gefreut, der Videocheck entlarvte die Kickbewegung des Crimmitschauer Goldhelms, leider kam er nicht nochmal mit dem Schläger an den Puck, so dass auch dieser Treffer keine Anerkennung fand.
Also kam, was die Goalies sich gewünscht hatten. Und heute wurde es im Gegensatz zu der Zwanzig-Schützen-Orgie vom Freitag eine schnelle und klare Angelegenheit. Lemay und Schlenker trafen, Freiburg traf gar nicht, und damit bleiben die Rot-Weißen in der DEL2 21/22 weiterhin ungeschlagen und nehmen hinter den verlustpunktfreien Frankfurtern Platz 2 ein. Schöne Momentaufnahme, möge sie noch lange Bestand haben!