Erinnert sich noch jemand an den 30.12.2020? Richtig, André Schietzold und Dominic Walsh feierten große Jubiläen im Eispiraten-Trikot: 555 bzw. 400 Spiele – echte Karrierepfeiler. Aber es gab an diesem Tag auch eine ganz dunkle Stunde, nämlich ein 1:8 gegen die Tölzer Löwen.
So dunkel wie der Tag damals für die Eispiraten war, so dunkel ist es derzeit auch in Bad Tölz. Zwar sagt der Wetterbericht für heute strahlend blauen Himmel und ungetrübten Sonnenschein in einer wunderschönen Winterlandschaft voraus, doch eine fette schwarze Wolke hat sich im Kurörtchen eingenistet. Sie steht direkt über der Eishalle.
In der zurückliegenden Woche wurde nämlich bekannt, dass der Hauptsponsor mit rund einer halben Million Euro im Zahlungsückstand ist und die Löwen damit vor ernste Probleme stellt. Dabei wurde das Tölzer Wirtschaftswunder vor rund 1 1/2 Jahren noch mit markigen Worten des Mäzens Ehliz vom DEL-Aufstieg und der Deutschen Meisterschaft eingeläutet. Vielleicht ist das Wunder schneller wieder vorbei als den Tölzern lieb ist und statt der Deutschen Meisterschaft könnte es im schlimmsten Falle bald wohl eher nur um die Bayernligameisterschaft gehen. Dass Geschäftsführer Donbeck parallel zur Sponsorenmeldung Hals über Kopf seinen Rücktritt verkündet, erinnert da schon an gewisse Nagetiere auf in Seenot geratetenen Schiffen… Dennoch wollen wir nicht unken, sondern den Tölzern ein glückliches Händchen beim Meistern dieser finanziellen Krise wünschen.
Sportlich ist indes eigentlich passend zum aktuellen Wetter eitel Sonnenschein im Isarwinkel. Gut, der quantitativ ohnehin recht schmale Kader ist seit vielen Wochen von Ausfällen geplagt, so dass Coach Kevin Gaudet sich schon gar nicht mehr erinnern dürfte, wann er zuletzt mal mehr als nur 2,5 Reihen ins Rennen schicken konnte, aber die verbliebenenen Spieler zeigen sich auch im Marathon der Nachholspiele ziemlich unbeeindruckt von der Belastung.
Dass so es gut läuft und sich die Töler auf Platz 2 festgebissen haben, liegt zu großen Teilen an Goalie Maximilian Franzreb (28 Sp, 2.73 GT/Sp, 92.38%, 2 SO), der bislang keine Spielminute verpasste und schon unter Normalbedingungen nur schwer zu überwinden ist. An guten Tagen Franzrebs steht den gegnerischen Stürmern dann schnell mal die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben.
Vor Franzreb halten Andreas Schwarz (28 Sp, 4+15), Kenney Morrison (CAN, 28 Sp, 3+12) und Sasa Martinovic (28 Sp, 1+11) mit ihrer ganzen Routine den Laden dicht. Hinzu kommen „Kampfsau“ Markus Eberhardt (15 Sp, 2+8) sowie die jungen Niklas Heinzinger (21 Sp, 3+4) und Maximilian Leitner (28 Sp, 0+5), die durch den kleinen Kader jede Menge Eiszeit bekommen, den Wurf ins kalte Wasser aber mit tadellosen Leistungen und einer guten Entwicklung zurückzahlen. Manuel Edfelder (28 Sp, 4+111) ist eigentlich auch als Defender eingeplant, hilft aber seit geraumer Zeit im Sturm aus.
Dort nämlich versammelt sich nur ein kleines Häuflein verbliebener Stürmer, die es qualitativ jedoch in sich haben. Und so ist es für die Tölzer Gegner alles andere als ein Vorteil, dass die Leistungsträger seit Wochen um die 30 Minuten Eiszeit schrubben. Denn je öfter ein Marco Pfleger (28 Sp, 11+32), Max French (CAN, 25 Sp, 23+17) und Reid Gardiner (CAN, 23 Sp, 18+18) auf dem Eis stehen, desto öfter klingelt es im gegnerischen Kasten. Und weil auch Reihe zwei mit Alt-Star Lubor Dibelka (26 Sp, 16+23), Philipp Schlager (24 Sp, 4+18) und dem nachverpflichteten Mario Lamoureux (USA, 13 Sp, 6+10) überdurchschnittlich scort, wundert es nicht mehr, dass den Tölzern im Schnitt mehr als 4 Tore pro Spiel gelingen. So viel wie keinem anderen Team. Oliver Ott (27 Sp, 0+4) und der erwähnte Manuel Edfelder bilden dann schon den Rest des Schützenfestes, weil Luca Tosto, Tyler McNeely, Johannes Sedlmayr und Thomas Merl zum Zuschauen gezwungen sind.
Auch in Crimmitschau wird Bad Tölz nur mit einem Mini-Kader antreten, das steht schon fest. Dass sich das Team aus Oberbayern auf diese Situation aber bestens eingestellt hat, bewies es zuletzt immer wieder, zumal eben gerade die absoluten Leistungsträger von Verletzungen verschont sind und daher umso mehr Eiszeit erhalten. Das Spiel der Tölzer bzw. das System Gaudet ist ohnehin nicht auf Powerhockey ausgelegt, sondern auf das schnörkellose und überlegte Ausspielen der eigenen Qualität, die der des Gegners zumeist überlegen ist. Deshalb ist der schmale Kader auch kein Problem für die Tölzer. Die Eispiraten müssen also in dieser Partie die Außenseiterrolle einnehmen, wenngleich sie alles daran setzen werden, um sich für die 1:8-Schmach vor anderthalb Monate zu revanchieren. Außerdem gilt es nach den Niederlagen gegen die schlechterplatzierten Dresden und Kaufbeuren den sich anbahnenden Negativtrend wieder umzukehren. Punkte gegen Tölz wären also immens wichtig, um die schnaubende und Fahrt aufnehmende Dampflock der Plätze 9-14 auf Distanz zuhalten.